IRIS GORDELIK ÜBER DEN WANDEL DER PERSONALBERATUNG IN DEN LETZTEN ZEHN JAHREN UND DIE FRAGE, WIE ES MIT DER BESETZUNG IN DEN TOP- ETAGEN WEITERGEHEN SOLL.
Vor der Wirtschaftskrise im Jahr 2001 war der Markt der Personalberatungen sehr transparent. Die großen Namen wie Egon Zehnder oder Spencer Stuart besetzten das Top- Management auf dem First und Second Level. Michael Page oder Baumann waren mehr im Bereich mittleres Management zu finden. Nach der Wirtschaftskrise entstanden plötzlich hunderte von sogenannten Personalberatungen. Parallel dazu boomte das Internet mit Portalen wie XING oder Monster, über die man recht einfach an Lebensläufe kommen konnte. Einige Berater kassierten Vorabhonorare, lieferten dann jedoch keine passenden Kandidaten. Die Unternehmen erhielten – zum Teil ungefragt – Lebensläufe auf reiner Erfolgsbasis, die jedoch nur Masse statt Klasse waren. Das Image der Branche stand gewaltig auf dem Prüfstand. In den folgenden Jahren jedoch meldeten die meisten dieser Beratungen Insolvenz an: dem Bundesverband der Unternehmensberatungen (BDU) zufolge bis zu 40 im Monat. Man versuchte sich mit neuen Titeln wie „Headhunter“ oder „Executive Search“ abzugrenzen. Am Ende geht es aber immer um die Besetzung von Fach- und Führungspositionen. Der Einfachheit halber bleiben wir bei dem Begriff der Personalberatung.
Finger weg von Lebenslaufsammlern
Was geblieben ist, ist eine höhere Sensibilität für den Mehrwert eines guten Personalberaters. Insofern hatte diese wilde Zeit etwas Gutes für alle. Es gibt sie immer noch, die Lebenslaufsammler und -verteiler. Und ich kann jedem Kandidaten nur raten, achtzugeben, nicht an einen solchen seinen Lebenslauf rauszugeben. Nachdem ich einem Kunden einen sehr passenden Kandidaten umfänglich schriftlich und mündlich empfohlen hatte und wir einen gemeinsamen Termin koordinieren wollten, rief mich der Personalleiter an und meinte, der Kandidat hätte sich vor einem Jahr bereits vorgestellt und wäre abgelehnt worden. Irritiert rief ich meinen Kandidaten an, denn in einer vertrauensvollen Zusammenarbeit hätte er mir davon eigentlich erzählen sollen. Er aber war selbst irritiert und schwor, dass er sich bei dieser Firma nie vorgestellt hätte. Die Recherche ergab, dass der damalige „Personalberater“ das CV des Kandidaten ohne dessen Wissen eingereicht hatte. Da die Qualifikationen nicht zum Suchprofil passten, wurde er abgelehnt. Einen solchen negativen Eintrag in der Personaldatei eines potenziellen Arbeitgebers sollte man als Führungskraft tunlichst vermeiden. Also Finger weg von Lebenslaufsammlern.
Auf Unternehmensseite wurden verstärkt eigene Research-Abteilungen aufgebaut. Nahezu jedes Unternehmen verfügt über sogenannte Recruiter, die das Internet ständig durchforsten und auf der unteren und mittleren Ebene potenzielle Mitarbeiter direkt ansprechen. Diesen Trend unterstützen Portale wie XING oder Experteer, die über Premiumfunktionen den gesamten Suchprozess systemseitig unterstützen. Das Zusammenwachsen interner Personaldatenbanken mit den Daten aus Social-Media-Pools über sogenannte API-Schnittstellen beschleunigt den Suchprozess und erleichtert den Zugang zu nahezu allen Quellen am Arbeitsmarkt. Die Akzeptanz auf der Kandidatenseite ist hoch, denn man ist ja auch ein wenig stolz, wenn sich ein tolles Unternehmen für einen interessiert.
Schon vor vielen Jahren haben wir mit dem Unternehmen GORDELIK daher den Weg eingeschlagen, uns nicht im unteren und mittleren Management zu engagieren. Wir sind kein Technologieunternehmen – wir sind ein Beziehungsunternehmen. Potenzielle Kandidaten der ersten und zweiten Ebene lassen sich nicht über Recruiter ansprechen. Zum einen, weil dabei keine Augenhöhe herrscht. Zum anderen zieht sich diese Klientel aus XING & Co. zurück oder verweigert die Kontaktaufnahme. Als Top-Manager wähle ich selektiv aus, wer mir bei meiner Karriere hilfreich sein kann, wer über Kontakte verfügt und damit passende Vakanzen kennt und wem ich vertraue.
„Wer kann mir bei meiner Karriere behilflich sein und wem vertraue ich?„
Am Ende kehren wir wieder zu einer klaren Struktur zurück, wie vor dem Jahr 2001: Es gibt das Internet und dedizierte Player mit eher technologiegetriebenen Prozessen für das untere und mittlere Segment; und es gibt Player für die oberen Ebenen und hochqualifizierten Fach- und Führungskräfte. Wir sprechen hier von Funktionen mit einem Jahresgehalt von etwa 90.000 Euro aufwärts. Allerdings ist eine Qualität neu hinzugekommen: die Qualität eines Netzwerks. Ein qualitativ hochwertiges Netzwerk unterscheidet sich vom quantitativ hochwertigen Netzwerk durch eine wesentliche Komponente: Es ist getragen von persönlichen Kontakten zwischen Menschen gleicher Interessen. Die Betonung liegt hier auf „persönlich“.
„Personalberatung ist People Business“.
Seit Gründung unserer Personalberatung im Jahr 2004 verbringen wir regelmäßig 70 Prozent unserer Zeit damit, uns im Netzwerk aufzuhalten, Menschen persönlich kennenzulernen und unser Netzwerk persönlich zu pflegen. Das können, dürfen oder wollen sich andere Personalberatungen oft gar nicht leisten. Die investieren ihre Zeit in Kandidaten nur dann, wenn dahinter auch ein konkreter Suchauftrag steht. Wir gehen mittlerweile sogar sehr rigoros den gegenteiligen Weg und nehmen keinen Kandidaten in die Betreuung auf, den wir nicht persönlich kennen. Solch wertvolle Beziehungsnetzwerke können nur mit einer ganz klaren Spezialisierung aufgebaut werden. In unserem Fall sind das alle kundennahen Funktionen in Customer Management, Vertrieb und Marketing. Andere haben sich auf Ingenieursberufe oder Mediziner spezialisiert. So sind wertvolle Boutiquen unter den Personalberatungen entstanden, die den Großen wie Zehnder, Spencer Stuart & Co. erheblichen Wettbewerb verursachen. Sie sind oft schneller, da sie die passenden Kandidaten schon längst kennen. Sie präsentieren weniger und passendere Profile, da sie fachlich die Positionsanforderungen besser verstehen.
Noch etwas hat sich in den letzten Jahren verändert. Die Zusammenarbeit mit dem Personalberater seines Vertrauens wird immer mehr zum People-Business. Wenn es darum geht, bei strategischen Neuausrichtungen des Unternehmens bereits Zugang zu potenziellen Top-Managern zu haben, muss ich logischerweise den Berater frühzeitig in die Pläne und Vorhaben einbinden – lange bevor die Personalabteilung überhaupt eine Stellenbeschreibung geschrieben oder die Position überhaupt geschaffen hat. Diese Vertrauensbeziehung erfordert eine hohe fachliche Kompetenz des Beraters im Geschäftsmodell seiner Kunden. Nachvollziehbar werden hier Kontakte zwischen Unternehmen und Kandidaten durch den Personalberater angebahnt, die nicht auf der Webseite veröffentlicht sind und für die auch nicht eine schriftliche Dokumentation vorliegt.
„Die Elite trifft sich vollkommen außerhalb des Mainstreams“.
Jeder Trend bringt auch einen Gegentrend mit sich, sagt eine alte Wirtschaftsweisheit. So auch in der Personalberatung. Je stärker das Internet mit seinen industriellen Möglichkeiten in der Führungskräfterekrutierung aufgestellt ist, desto deutlicher wird der Bedarf nach Manufaktur und persönlichen Beziehungen. Die Elite trifft und kennt sich vollkommen außerhalb des Mainstreams. Auch in den kommenden zehn Jahren wird sich daran nichts ändern. Als Personalberater kann ich Unternehmen und Kandidaten nur dann Besonderes bieten, wenn ich persönliche Türen öffnen kann, wenn wir der Anonymität des Internets ein persönliches Gesicht geben können.
Was dazu notwendig ist, haben wir im Gepäck: die Liebe dazu, persönliche Beziehungen zu Menschen zu pflegen und unserem Motto zu folgen: „No one is closer“.
Text: Iris Gordelik
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