Trotzdemmacher

2020-12-20T13:31:23+01:0015. Februar 2020|Tags: , , , , , |
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Manchmal ist die deutsche Sprache schon sehr hart. „Trotz“ ist laut Wikipedia ein Verhalten, das sich oft in starken Gefühlsausbrüchen zeigt, begleitet von einem Beharren auf seine Meinung oder seinem Recht. Also irgendwie das Gegenteil des smarten, diplomatischen und einsichtigen Menschen.

 

Trotzdem ist die Zeit reif, diesen Menschen hier ein kleines Denkmal zu setzen; denn – weil sie so sind, sind sie in der Wirtschaft auch oftmals erfolgreich.

 

Sie bringen oft viel mit, was heute nicht mehr so ganz auf der Höhe der Zeit zu sein scheint, und setzen damit paradoxerweise auch wieder Trends. Es scheint diesen „tipping point“ zu geben, wann die Zeit anfängt – oder wieder anfängt –, für diese Menschen zu arbeiten.

 

Hier ein paar Beispiele:

 

Trigema

 

Keine Ahnung, wie viele Berater schon den Kopf darüber geschüttelt haben, dass Trigema immer noch in Deutschland T-Shirts produziert. Seit Jahrzehnten ist die Textilindustrie auf Wanderschaft in immer billigere Länder mit immer prekäreren Arbeitsverhältnissen. Und immer mehr werden die großen Versender mit Ware, auch namhafter Markenware, geflutet. Nur in Burladingen macht man alles anders. In Deutschland produziert, in der Gesellschaftsform eines Einzelunternehmers (also voll haftbar), mit eigenen Shops im stationären Handel wie in der Mall of Berlin oder auch am Stuttgarter Flughafen und natürlich im Direktvertrieb. Aus Sicht von Mitbewerbern, Beratern, Investoren eine kaum zu überbietende Sturheit:

 

Man kann Trigema (deswegen?) getrost eine brillante Zukunft voraussagen. Vor Ort produziert, glaubwürdig und flexibel – oder wussten Sie, dass der berühmte Trigema-Affe mittlerweile computeranimiert ist, weil man auf die sich beschwerenden Tierschutzorganisationen gehört hat?

 

Oetker-Gruppe  

 

Während so viele Manager von Fokussierung und Kerngeschäft sprechen, hat die Oetker-Gruppe seit langem gegen den Trend in so vieles investiert. Sie hat mit Backpulver begonnen, ist im Private Banking gelandet, ist Bierbrauer und erfolgreicher Pizzabäcker (sogar in Italien); damit nicht genug, selbst im Kerngeschäft Backen lässt man erfolgreichen Marken ihre Namen (Coppenrath & Wiese), darauf einen Henkell Trocken oder lieber einen Crémant in einem der Hotels der Gruppe?

 

Man trennt sich auch mal von etwas, wie etwa von der Reederei, aber man geht den klassischen Buzzwords des Managements aus dem Weg. Neben „Kerngeschäft“ ist die Organisation auch gegen das Wort „Zentralisierung“ scheinbar immun.  Was für wunderbare PowerPoint-Schlachten man doch machen könnte, um sie eines Besseren zu belehren. Aber der Laden läuft! Über sieben Milliarden Umsatz, 129 Jahre Firmengeschichte und 31.000 Mitarbeiter sind ein Beleg dafür.

 

Frosch

 

Die Marke der Werner & Mertz Gruppe begann 1986 mit der Herstellung ökologischer Haushaltsmittel. 2019 Unternehmer des Jahres, hat sich diese Firma sieben Jahre vor der Einführung des gelben Sacks mit ökologischen Themen beschäftigt. 17 Jahre vor Einführung des Einwegpfands war schon klar: Hier soll etwas nachhaltiger gearbeitet werden. Man nahm es dafür in einer der wettbewerbsintensivsten Branchen (Handel, Drogerie) mit sehr knappen Margen in Kauf, etwas teurer zu produzieren. Und was man nicht fertig angeliefert bekommen kann, macht man eben selber, wie etwa eine Anlage für die Herstellung von Verpackung aus recyceltem Kunststoff. Man forscht, um besser zu werden, wo es noch nicht klappt. Das Unternehmen war mutig, denn als alle anderen Hersteller sich über Wirkung, Reinigungskraft und Hygiene positionierten, verkaufte Frosch über das Thema Nachhaltigkeit.

 

Just (Just.social)

 

Neue Generationen, neue Produkte: ein digitales Kommunikationsinstrument für Unternehmen. Die Konkurrenten sind Giganten wie Microsoft, Firmen mit weltweiten Entwicklerteams. Just mit Sitz in St.Pauli, Hamburg, arbeitet ausschließlich in Deutschland. In einer Welt, die sich rühmt, dezentral und global zu denken, kommt diese Firma aus einer Stadt, hostet auf eigenen Servern und schert sich auch sonst um viele Konventionen nicht.

 

Im Kern glaubt die Firma, dass sich das Produkt nach dem Menschen und nicht der Mensch nach dem Produkt richten sollte. Wer die Giganten im Digital Business kennt, weiß: Da ist der Keim fürs besser und anders machen. Selber sagt die Firma, sie lebe in einer chaotischen Demokratie. Kundensupportabteilung? Fehlanzeige! Wenn ein Kunde ein Thema hat, telefoniert er mit dem Just-Entwickler, also dem Just-Kollegen, der das Feature am besten kennt. So ist jedes Gespräch pures Gold, um besser zu werden, und exzellenter Service nebenbei. Die Kunden kommen aus allen Branchen: Vom deutschen Mittelstand über die AOK bis hin zu Volksbanken und Industrie- und Handelskammern – der Erfolg gibt den Machern recht.

 

Die Liste der Firmen könnte man beliebig verlängern. Sie agieren branchenunabhängig. Und es gibt auch nicht die richtige Zeit für diese Trotzdemmacher. Aber es gibt etwas, was sie alle eint: eine feste Überzeugung. Eine Überzeugung, die sich mit Mainstream-Gedanken nicht gleich anfreundet. Die vermutlich Schwarmintelligenz ablehnen, aber immer offen für konstruktive Kritik sind.

 

Die genannten Firmen eint auch eine hohe Lernwilligkeit. Beispiele sind schnell gefunden: Als die Oetker-Gruppe Kritik über eine gewisse Zutat einstecken musste, war sie in kurzer Zeit geändert. Als Frosch vorgeworfen wurde, zu viele Rohstoffe zu beziehen, die nicht nachhaltig sind, wurden Alternativen gesucht und klare Ziele kommuniziert. Trotzdemmacher machen eben trotzdem weiter und entwickeln sich fast automatisch zu Bessermachern, weil Andersmachern.

 

Text: Thomas Hohlfeld

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