"EINE SCHARF FOKUSSIERTE SICHT"

Na klar werden Kandidaten wie Auftraggeber von professionellen Personalberatern handverlesen, auf Herz und Nieren geprüft und nach allen Regeln der Kunst ausgesucht. Die Analyse des Lebenslaufes spielt dabei natürlich eine Rolle. Selbstverständlich auch das Interview. Ebenso das Bauchgefühl. Wer ganz sicher sein will, dass Mensch und Position zueinander passen, der sollte auch noch ein wissenschaftliches Diagnostiktool nutzen. GORDELIK macht mit dem eigenen, wissenschaftlich fundierten Tool FFK jedenfalls allerbeste Erfahrungen. Professor Burisch hat den „Fragebogen für Führungskräfte“ mitentwickelt, ist also der richtige Mann, um mal nachzufragen, was so ein Tool tatsächlich leistet – und was nicht.

Professor Burisch, welchen Sinn und Zweck hat ein Diagnostiktool wie der FFK?

Matthias Burisch: Wenn in einem Unternehmen eine Position zu besetzen ist, soll der neue Mann, die neue Frau natürlich zu den Rahmenbedingungen passen wie der Schlüssel zum Schloss – im Idealfall. Besonders wichtig ist das bei Führungspositionen, wo ein Klemmen des Schlüssels fataler ist als anderswo. Man kann heute davon ausgehen, dass Führungskräfte, die sich aus einer ungekündigten Stelle heraus bewerben, fachlich fit sind. Alles andere würde schon im Vorfeld auffallen, speziell, wenn eine erfahrene Personalberatung beteiligt ist. Nein, wenn es schiefgeht, in der Probezeit oder auch kurz danach, dann hat es in aller Regel an anderen Stellen geknirscht. Es gibt die Schätzung, dass über 90 Prozent scheiternder Beschäftigungsverhältnisse nicht wegen mangelnder Könnens-Kompetenzen beendet werden, sondern wegen Unstimmigkeiten zwischen Merkmalen des Stelleninhabers und den Anforderungsbedingungen der Position.

Tja, aber wie kann man die Merkmale und die Anforderungen dingfest machen und abgleichen, bevor das Knirschen unüberhörbar wird? Das Standardvorgehen besteht darin, dass sich die Personalabteilung – sofern es noch eine gibt – mit oder ohne externe Beratung über die Bewerbungsunterlagen beugt und nach Bauchgefühl entscheidet, wen sie zu Bewerbungsgesprächen einlädt. Wer es dann wird, das entscheidet sich wiederum nach Bauchgefühl, wobei das des künftigen Vorgesetzten tunlichst zu berücksichtigen ist. Denn der hat ein Eigeninteresse daran, dass eine Bewerberin, ein Bewerber, die/ den er handverlesen hat, nicht früh scheitert; das würde ja auf ihn zurückfallen. Ich will dieses Vorgehen gar nicht schlechtreden. Speziell dann, wenn eine gute Personalberatung die Vorsortierung übernimmt, kann es durchaus hohe Erfolgsquoten haben. Wenn man die Standardinstrumente — Unterlagenanalyse, Interview, Bauchgefühl — um ein objektives Diagnostiktool ergänzt, kann das aber etliche Vorteile haben. In der idealen Durchführungsform des FFK erstellt das auftraggebende Unternehmen zunächst ein Soll-Profil für die zu besetzende Position, mit externer Beratung. So wird sichergestellt, dass man sich vorab Gedanken gemacht hat, wen man denn eigentlich sucht.

Soll es wirklich ein Teamplayer sein, wie er in vielen Stellenanzeigen gesucht wird, oder kommt es in Tat und Wahrheit doch vor allem auf die Einzelkämpfer-Kompetenz an? Möchten wir jemand Durchsetzungsstarkes oder wird der garantiert an seinem künftigen Boss scheitern, der selbst Alphatier ist? Und sofort. Die 34 Dimensionen des FFK erlauben da ein sehr differenziertes Anforderungsprofil. Mit diesem Anforderungsprofil, besser Anforderungskorridor, hat man dann eine sehr scharf fokussierte Sicht auf die Selbstdarstellung des Bewerbers im Fragebogen. Wenn er oder sie sich beispielsweise viel mehr oder viel weniger Ehrgeiz bescheinigt, als man sich wünschen würde, kann man sich immer noch fragen, ob das ein Knockout-Kriterium darstellt. Ähnlich bei Chaos-Tauglichkeit oder Belastbarkeit – zwei Kompetenzen, die in der CC-Branche wahrscheinlich besonders gefragt sind.

Was kann der FFK denn genau?

Matthias Burisch: Der FFK liefert ein objektives und, wie gesagt, sehr differenziertes Bild von der Selbstsicht der Bewerber. Diese wird auch noch relativiert an Testergebnissen anderer Vorgesetzter. Das ermöglicht Aussagen wie „Diese Bewerberin schreibt sich mehr Kommunikationsgeschick zu als 89 Prozent vergleichbarer Führungskräfte“. Objektiv heißt in diesem Zusammenhang: Die Auswertung der Antworten ist völlig unabhängig von Meinungen des Auswerters; das ergänzt das erwähnte Bauchgefühl optimal. Man kann dann im dennoch unverzichtbaren Interview gezielt Auffälligkeiten oder eben Abweichungen von den formulierten Anforderungen ansprechen; manchmal lassen sich so Missverständnisse klären. Der Fragebogen wird online ausgefüllt und ausgewertet, ist also sehr ökonomisch. Die Ergebnisse sind dokumentierbar und transparent: So wird es einfacher, dem erfolglosen Bewerber zu erklären, woran es diesmal gehakt hat. Die erwähnten 34 Dimensionen sind der Übersichtlichkeit halber in sieben Inhaltsbereiche gegliedert: Macher-, Kontakter-, Politiker-, Teamer-, Spieler-, Denker- und stoische Qualitäten.

„DAS ZAUBERWORT HEISST ALLGEMEIN: METHODENMIX. TESTS SOLLTEN IN DER PERSONALAUSWAHL NICHT DAS EINZIGE WERKZEUG SEIN. ABER EINES UNTER ANDEREN.“

Warum gerade diese?

Wir haben uns vor der Konstruktion des FFK sehr gründlich angesehen, was denn heute so verlangt wird von Führungskräften. Der FFK ist einigermaßen flächendeckend. Natürlich hat auch ein Testverfahren wie der FFK Grenzen. Es liefert schon mal nicht „Wahrheiten“, das schafft aber auch kein anderes Verfahren. Und es ist verfälschbar wie andere Tools auch. Allerdings, und das wissen Bewerber auch, kann man sich selbst ein Bein stellen, wenn man im FFK nur die vermutet erwünschten Antworten gibt. Das Zauberwort heißt allgemein: Methodenmix. Tests sollten in der Personalauswahl nicht das einzige Werkzeug sein. Aber eines unter anderen, mit den genannten Vorteilen. Ein vorgesehener, aber noch gar nicht ausgeloteter Einsatzzweck ist die Selbstberatung. Interessenten können eigenhändig definieren, wie sie das Anforderungsprofil ihres Jobs sehen. Wenn sie dann ihre Testresultate daneben legen und Abweichungen sehen, kann man über Nachjustierungen nachdenken. Nehmen wir zum Beispiel an, dass jemand bei „Konfliktbehandlung“ am oberen Rand des Möglichen liegt und feststellen muss: „Stimmt, ich mische mich oft zu früh ein, das ist schon mehrmals schiefgegangen!“. Dann kann er sich vornehmen, bei der nächsten Gelegenheit gelassener zu agieren. Auch für Rundum-Feedbacks – übrigens eine sehr empfehlenswerte Sache – eignet sich der FFK hervorragend. Schon darum, weil alles in Alltagssprache formuliert ist.

Machen Tests den Auswahlprozess nachweislich erfolgreicher?

Matthias Burisch: Es gibt in der Psychologie eine jahrzehntealte Forschungstradition dazu. Als Destillat kann man wahrscheinlich sagen, dass Tests in ihrer Vorhersagegüte viel, viel aufwendigeren Verfahren wie Assessment Centers nicht nachstehen. Im konkreten Fall des FFK haben wir die Erfahrung vom Unternehmen GORDELIK, dass es vor dem Einsatz des FFK nur drei Prozent Beendigungen in der Probezeit gab. Das dürfte eine hohe Erfolgsquote darstellen. Nachdem der FFK zum Einsatz kam, sank die Zahl der Beendigungen in der Probezeit auf aktuell null Prozent.

Wer profitiert mehr: Kandidaten oder Arbeitgeber?

Matthias Burisch: Das war früher heiß umstritten. Wer sich in den 70er Jahren mit Eignungsdiagnostik beschäftigte, war zwangsläufig als Knecht des Kapitals abgestempelt. Meine nüchterne Sicht ist wie folgt: Wenn es fünf Bewerber um einen Job gibt, werden vier leer ausgehen, egal, welche Instrumente eingesetzt werden. Vielleicht sind alle fünf gleich geeignet, vielleicht sind alle gleich ungeeignet. Dann könnte man auch würfeln. (Ich habe das einmal vorgeschlagen, der Betriebsrat hätte aber nicht mitgemacht.) Wenn aber ein Verfahren dazu beiträgt, die Trefferrate zu erhöhen — anders ausgedrückt: das Scheitern seltener werden zu lassen —, dann profitieren beide Seiten. Auf Arbeitgeberseite kann man die Kosten von Fehlbesetzungen wahrscheinlich präziser benennen. Der Kandidat, der die Probezeit nicht übersteht, hat auch Kosten materieller Art. Vor allem aber hat er einen Knick in der Biografie, womöglich ein Trauma. Niemand sollte sich auf einen Traumjob versteifen, dem er nicht gewachsen ist. Okay, auf eine Bewerbung nach etlichen Bemühungen eine Absage zu bekommen, ist auch kein Zuckerschlecken. Aber dieses Risiko besteht immer, auch ohne Tests. Eine zwischengeschaltete Personalberatung kann den Rückschlag abfedern, indem sie ein gründliches Debriefing durchführt. Wer es nicht mal in die Endauswahl geschafft hat, dem kann man anhand von Testergebnissen unter Umständen schmerzloser erklären, woran es lag. Denen auf Platz 2 und 3 wird man, wie schon immer, sagen müssen: Es gab halt jemanden, der noch mehr überzeugt hat.

Gibt es eigentlich signifikante Unterschiede zwischen Männern und Frauen oder auch zwischen FFK-Absolventen der Customer-Care-Branche und Vertretern anderer Professionen?

Matthias Burisch: In der Führungskräfte-Stichprobe, die der Konstruktion des FFK zugrunde liegt, gab es nur zehn Prozent Frauen. Und die unterschieden sich zu meiner Überraschung nicht signifikant von den Männern. Ich habe vor Kurzem einmal eine Stichprobe von 209 Bewer- berinnen und Bewerbern von GORDELIK mit den 375 Führungskräften aus der FFK-Konstruktionsstichprobe verglichen. Dabei muss man sich klarmachen, dass sich Erstere in einer realen Bewerbungssituation befanden, die Letzteren nicht, auch wenn sie gebeten worden waren, sich in diese hineinzuversetzen. So ist es denn nicht überraschend, dass sich die Customer-Care- Kandidaten ziemlich durchgängig besser darstellten als die- jenigen, die eh nichts zu verlieren hatten. Die Unterschiede waren aber nicht massiv. Eigentlich nur bei den Merkmalen Belastbarkeit und Konfliktbehandlung ergaben sich Unterschiede, die sowohl statistisch signifikant als auch praktisch bedeutsam waren; bei vielen anderen, bei denen man das erwartet hätte, dagegen nicht. Vielleicht wäre der Vergleich anders ausgefallen, wenn wir nur die jeweils erfolgreichen Customer-Care-Bewerber einbezogen hätten.

DER PSYCHOLOGE MATTHIAS BURISCH ist Professor mit Schwerpunkt Psychologische Methoden und Statistik an der Universität Hamburg. Weithin bekannt wurde Matthias Burisch durch seine Arbeiten zum Burnout-Syndrom, mit dem er sich schon beschäftigte, bevor es allseits diskutiert wurde. Er ist Autor des gleichnamigen wissenschaftlichen Standardwerkes sowie zahlreicher Studien zu diesem Thema. Neben seiner universitären Tätigkeit arbeitet Matthias Burisch als Berater, Trainer und Coach für Psychologen und Führungskräfte. www.burnout-institut.eu

Text und Interview von Vera Hermes

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