„ES GEHT UM EIN ANSTÄNDIGES MITEINANDER.“

2020-11-27T18:19:07+01:0003. Februar 2010|Tags: , , , , |

Obi-Gründer Manfred Maus im Interview über die Sehnsucht nach Werten und die Vorbildfunktion von Chefs

Manfred Maus, 74, ist Obi-Gründer, langjähriger CEO und Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens, Vizepräsident der IHK-Köln, Ehrenpräsident des Deutschen Franchise-Verbandes und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Heimwerker-, Bau- und Gartenfachmärkte. Der bekennende Katholik ist ein vielfach geehrter und anerkannter Mann: Er erhielt unter anderem das Bundesverdienstkreuz, den Lifetime Award des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE) und zuletzt im Dezember 2009 den DIY Lifetime Award für herausragende Leistungen im Baumarkt- und Heimwerkerbereich. Obi ist heute Marktführer in Deutschland. Manfred Maus hat sich zwar aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, doch er ist noch viel und gern unterwegs, wenn es darum geht, Managern deutscher Unternehmen das werteorientierte Führen nahezubringen. Auf diesem Terrain besteht nämlich noch einiger Nachholbedarf, ist er überzeugt.

Gibt es so etwas wie eine neue Sehnsucht nach Werten?

Manfred Maus: Ja, durch die Veränderungen, die in unglaublicher Geschwindigkeit weltweit stattfinden. Sie machen die Menschen unsicher und schaffen Ängste. Die Menschen suchen nach Orientierung – und nach Werten. Das sind in der Regel christliche Werte wie etwa Ehrlichkeit.

Kommt die Werteorientierung in der Unternehmensführung heute zu kurz?

Manfred Maus: Es gibt hunderttausende Unternehmerfamilien, die anständig handeln. Aber über die schreibt keiner. Wenn ich einmal ganz grob verallgemeinere, dann ist die Werteorientierung zum Beispiel bei den Banken zu kurz gekommen. Banker haben Produkte verkauft, die sie selber nicht kannten. Sie haben uns Kunden angelogen. Da müssen sie sich nicht wundern, wenn die Menschen das Vertrauen in sie verlieren. Ohne das Vertrauen der Kunden kann man aber kein Unternehmen führen. Die Menschen müssen den Unternehmen folgen. Es gibt einen Unterschied zwischen guten und exzellenten Unternehmen: Wir haben tausende gute und wenige exzellente Unternehmen in Deutschland; letztere sind werteorientiert.

Zum Beispiel?

Manfred Maus: Zum Beispiel Firmen wie Miele, Douglas, Oetker oder Kärcher. Das sind allesamt Familienunternehmen. Die Werte, die sie vertreten, sind in der Familie, in der Erziehung, entstanden und weitergegeben worden.

Unterscheiden sich Ihrer Erfahrung nach Unternehmer von angestellten Managern in ihrer Werteorientierung?

Manfred Maus: Ja. Der entscheidende Unterschied ist die Haftung. Hätten zum Beispiel die Banker in der Vergangenheit für ihr Handeln mit all ihrem persönlichen Hab und Gut haften müssen, wäre manche Entscheidung anders gefallen. Angestellte Manager riskieren allenfalls ihren Job, bekommen aber meist noch eine Abfindung und verlieren kein persönliches Kapital.

Wie können Unternehmer ihre Werteeinstellungen auf Führungskräfte und Mitarbeiter übertragen?

Manfred Maus: Es geht um ein menschenwürdiges und anständiges Miteinander. Dafür braucht es Vorbilder. Die Führungskräfte müssen die Werte vorleben, indem sie Vorbild sind. Kommt zum Beispiel ein Chef jeden Tag zu spät zur Arbeit, ist der Laden innerhalb von einem halben Jahr verlottert – warum sollten die anderen pünktlich sein, wenn es ihr Chef nicht ist?

Ohne welche Werte kommt ein Unternehmer nicht aus?

Manfred Maus: Ein Unternehmen muss ein Wertegerüst haben, um Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten eine Orientierung zu geben. Es muss festlegen, wie die Menschen miteinander umgehen wollen. Das Maßhalten ist zum Beispiel ein wichtiger Wert. Oder auch die Gesundheit. Wenn ich Mitarbeiter habe, die Spitzenleistungen erbringen sollen, dann geht das nur, wenn sie gesund sind. Deshalb ist die Gesundheit auch für den Unternehmer ein wichtiger Wert: Also darf er die Mitarbeiter nicht überfordern oder unter Druck setzen, denn das macht sie krank. Ehrlichkeit ist sehr wichtig. Letztens, als ich nach langer Zeit mal wieder einen Obi-Markt besuchte, fragte mich eine Mitarbeiterin, wie sicher ihr Arbeitsplatz sei. Ich habe geantwortet, niemand könne ihren Arbeitsplatz garantieren. Das sei aber sehr ehrlich, meinte sie. Ich habe ihr gesagt: „Sie sind 120 Mitarbeiter in diesem Laden. Wenn Sie es schaffen, dass die Kunden immer wieder zurückkommen, dann tun Sie sehr viel für Ihren Arbeitsplatz.“ Die Mitarbeiter müssen sehen, dass es sinnvoll ist, was sie tun. Sie sollten nicht für eine Provision arbeiten, sondern ein großes Ziel haben: zufriedene Kunden! Die Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter informieren, müssen Erfolgsgeschichten melden, müssen sie stolz machen auf das Unternehmen. In den kommenden Jahren werden in Deutschland immer weniger Menschen leben. Wir brauchen Menschen, die Leistung erbringen. Die Firmen müssen darauf achten, dass ihre Reputation gut ist, sonst werden sie keine Mitarbeiter bekommen.

Was ist mit den Kunden: Achten die überhaupt auf eine Werteorientierung?

Manfred Maus: Langfristig können Unternehmen ihre Kunden nur begeistern, wenn sie ehrlich sind – Unternehmen können Kunden nicht langfristig betrügen. Und sie können nur dann auf Dauer erfolgreich sein, wenn die Kunden und die Mitarbeiter begeistert sind. Die Bindung von Kunden und Mitarbeitern an emotionale Werte ist ganz wichtig. Wenn Erwartungen erfüllt werden, dann sind sie zufrieden. Das bringt aber keine Kundenbindung.

Was bringt Kundenbindung?

Wenn sie die Erwartungen übertreffen! Beispiele wie Opel oder Karstadt haben gerade wieder gezeigt, dass kein Unternehmen auf Dauer an den Bedürfnissen seiner Kunden vorbeimanagen kann. Wir brauchen Opel nicht, denn wir können auch ohne Opel Auto fahren. Wir brauchen Karstadt nicht, denn Karstadt hat seine Kompetenzen an spezialisierte Anbieter verloren. Wer nicht nah an seinen Kunden ist, den Kontakt zu seinen Kunden verliert und ihre Bedürfnisse nicht kennt, kann nicht überleben.

Manfred Maus Obi-Gründer Manfred Maus ist ein Verfechter der werteorientierten Unternehmensführung

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