
Sein allererstes Geld verdiente sich Alfons Bromkamp im Alter von zwölf Jahren damit, dass er beim Bauern um die Ecke einen Eimer Kuhmist und drei Tomatenpflanzen erwarb, die er in den elterlichen Garten einbrachte. Als die Tomaten reif wurden, verkaufte er sie für zehn Pfennig pro Stück an seine Mutter. Einen Sommer später befreite er für 1,75 Mark in einer Gärtnerei die Stahlstreben des Gewächshauses vom Rost. Per aspera ad astra – durch Raues zu den Sternen. Wenn man so will, hat Alfons Bromkamp schon im Kindesalter sein Bemühen um Nachhaltigkeit und seine Liebe zum Detail bewiesen.
Menschen und Leistungen mit Wertschätzung zu begegnen ist ein weiterer wesentlicher Charakterzug des Alfons Bromkamp. Dass er heute so ist, wie er ist, hat viel mit seinem Lebensweg zu tun. Er hat viel aus Fehlern gelernt, mit Niederlagen seinen Frieden gemacht und ein „grandioses Scheitern“ hat ihn erst zu dem Ausnahme-Unternehmer reifen lassen, der er heute ist. Alles ist Teil seiner „Story“, wie er selbst sagt.
Er wuchs als jüngstes von sieben Kindern in einem einfachen katholischen Bergarbeiter-Haushalt im nordrhein-westfälischen Örtchen Kirchhellen auf. Dass er, gerade neun Jahre alt, aufgrund des Todes seines Vaters schon früh Verantwortung übernehmen und Entscheidungen für sich selbst treffen musste, hat ihn geprägt. Er wurde geliebt, aber nicht gefördert. Sein Elternhaus hat ihm die tiefe Überzeugung mit auf den Weg gegeben, dass immer alles einen positiven Ausgang findet. Ihm stellte das Leben die eine oder andere Hürde auf, die man nicht als Highlight betrachten kann. „In einem langen Leben summieren sich eben auch Erfahrungen, die zeigen, dass sich nicht immer alles so entwickelt, wie man das möchte.“ Heute, im Rückblick, behielten seine Eltern dann aber doch recht.
Der Junge hat Talent
Dass der junge Alfons vertriebliches Talent besaß, erkannte schon die Arbeitsamt-Mitarbeiterin bei der Berufsberatung aus Anlass seiner Mittleren Reife. Eine erste grundlegende Weichenstellung. Die zweite folgte im Juli 1976, als sich Alfons Bromkamp im Schlepptau seiner Mutter – „so war das damals“ – bei Karstadt als Auszubildender vorstellte. In den Begrüßungsraum herein trat „eine schicke Prinzessin, und ich sagte mir, das ist meine“. Alfons und Beatrix Bromkamp sind mittlerweile seit 33 Jahren verheiratet und auch beruflich ein unverbrüchliches Team.
Ausbildung bei Karstadt, Fachabitur und Ausbildung zum Reserveoffizier bei der Bundeswehr. Es war die Zeit, als in jedem Postamt Poster anarchistischer Gewalttäter hingen. Mit nur 21 Jahren trug Alfons Bromkamp als Transportzugführer Verantwortung und lernte Dinge wie Menschenführung, Planung und Organisation. Auch heute noch zieht er Register aus dieser Zeit. Damals ging es darum, jungen Männern, die der Einberufung nicht ganz freiwillig Folge geleistet hatten, dennoch Spaß und Sinn an der Aufgabe zu vermitteln. Suchenden eine Richtung aufzuzeigen, sie zum persönlichen und beruflichen Erfolg zu ermutigen ist heute mehr denn je ein Anliegen, das ihn als Unternehmer auszeichnet. In seiner Unternehmensgruppe findet man den einen oder anderen Lebenslauf, auf den er fördernd Einfluss genommen hat.
Phase der Orientierungslosigkeit
Auf die Bundeswehrzeit folgten Intermezzi als Kopierer-Verkäufer bei der Hoechst AG, als Außendienstmitarbeiter bei der Landesbausparkasse und der Provinzialversicherung, bis er von der Hoechst AG wieder angeworben wurde, diesmal um Faxgeräte zu verkaufen. Diese hatten damals Kühlschrankformat, der Ausdruck einer Seite dauerte drei Minuten und das Gerät kostete 40.000 Mark, wovon der Verkäufer 1.000 Mark Provision erhielt. Ein erklärungsbedürftiges Produkt. Alfons Bromkamp hängte sich ans Telefon und akquirierte seine eigenen Kundentermine. Aber bereits zu Bundeswehrzeiten hatte er das Ziel der unternehmerischen Selbstständigkeit vor Augen gehabt, und so geriet er über die Publikation „Die Geschäftsidee“ von Norman Rentrop an Günter Greffs TAS Telefon-Akquisitions-Service im Rodgau. Telemarketing war damals das neue Marketing-Instrument aus den USA, und die Logik dahinter leuchtete dem Vertriebsmann sofort ein: Andere sollten für ihn die Kundentermine akquirieren, er wollte sich aufs Verkaufen konzentrieren. Leider leuchtete der „amerikanische Marketing-Schnickschnack“ seinem Vorgesetzten bei Hoechst keineswegs ein, und so wechselte Alfons Bromkamp zu Günter Greff, um dem neuen Marketing-Instrument den Weg in die Wirtschaft zu ebnen.
Der geniale Teil der „Story“
Sein Wunsch, ein eigenes TAS-Büro als Franchisebetrieb im Herzen des Ruhrgebietes, in Bochum, zu eröffnen, sollte sich 1990 erfüllen. In der Königsallee 178 a legte eine Truppe von zehn Damen an zehn Ikea-Schreibtischen los, und dann kamen einige Faktoren zusammen, die den Erfolg seiner ersten Unternehmung beflügelten: seine Tugenden Fleiß, Beharrlichkeit und Nachhaltigkeit – „Ich habe akquiriert wie ein Weltmeister!“; gleichzeitig änderte sich die Vertriebswelt, so dass sich ihm ein strategisches Fenster öffnete: Unternehmen suchten neue, kostengünstige Wege der Kundenakquisition und -betreuung. Zudem startete in unmittelbarer Nachbarschaft das erste Servicecenter der damaligen Kundenkreditbank KKB. Sie schrieb mit ihrem Inbound-Service eine erste Erfolgsstudie für das Kommunikationsinstrument Telefon. Es entstanden neue Kundenanwendungen, Call Center schossen aus dem Boden. Auf die Selfmade-Unternehmer der ersten Stunde wie Günter Greff, Wolfgang Wiencke oder Gerald Schreiber folgten Unternehmer mit akademischem Abschluss, die sich mehr Gedanken um Strategien und Prozesse machten. Die Branche wurde hoffähig und das eigene „Communications Interactive Center“ Aushängeschild erfolgreicher Vorstände. Alfons Bromkamps Unternehmen wuchs auf über 500 Mitarbeiter, erzielte 40 Millionen Mark Umsatz und erwirtschaftete eine zweistellige Umsatzrendite.
Die folgenschwere Entscheidung
Allerdings fühlte sich Alfons Bromkamp in der großen Abhängigkeit von wenigen Kunden –Deutsche Post, Ruhr-Nachrichten, Aral – nicht wohl und suchte nach Möglichkeiten, sein Unternehmen abzusichern. Der Verkauf des Unternehmens an John Sykes verhieß diese Sicherheit, und so wurde man sich im Oktober 1997 handelseinig. Alfons Bromkamp machte Kasse und verpflichtete sich noch für drei Jahre als Geschäftsführer für Mittel- und Osteuropa. In dieser Zeit explodierte das Unternehmen und befand sich zuletzt auf Augenhöhe mit dem damaligen Marktführer Walter Telemedien. Den Dreijahresvertrag hat Alfons Bromkamp nicht erfüllt. Im ersten Quartal 1999 waren John Sykes und er sich einig, „dass ein deutscher Unternehmer nicht zwingend kompatibel mit einem US-amerikanischen Konzern ist“, wie er es ausdrückt. Das meint er ganz wertfrei.
„Ich stellte mich selbst aufs Abstellgleis.“
Der erfolgsverwöhnte Unternehmer ging nach 15 Jahren, in denen er geschäftlich Vollgas gegeben hatte, im Alter von 39 Jahren in den Vorruhestand. Aufgrund seines familiären Hintergrundes kam er mit der Situation, über einige Millionen Mark zu verfügen, nicht zurecht. Er fiel in ein Loch. Warren Buffets Weisheit ignorierend, niemals in Geschäftsmodelle zu investieren, die man selbst nicht versteht, verlor Alfons Bromkamp als Business Angel eine Menge Geld. Der Erwerb einer Jugendstil-Bürgermeistervilla in Bottrop, einst Standesamt, war auch so eine Geschichte. „Nice“ sei diese Geschichte gewesen, sagt Alfons Bromkamp. „Da, wo ich geheiratet habe, habe ich später gewohnt. Und meine Frau konnte sich im ehemaligen Trauzimmer, dann Küche, immer fragen, ob das wohl eine gute Entscheidung war, mich zu heiraten.“
Viele kleinere und mittlere Niederlagen summierten sich zu einem großen Scheitern, das vom Finanzamt schließlich besiegelt wurde. Denn dort war man der Ansicht, dass die Steuern auf den millionenschweren Verkaufserlös aus dem Deal mit John Sykes auf den Aktienwert zum Zeitpunkt des Verkaufs zu bezahlen seien. Leider war der Aktienkurs aus verschiedenen Gründen zwischenzeitlich stark abgesackt. Zum Verlust des Vermögens aufgrund eines luxuriösen Lebensstils mit Ferrari, Wohnung und Boot auf Mallorca addierte sich somit noch eine große Steuerschuld, die Alfons Bromkamp endgültig in Schieflage brachte. Jahrelange Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt verschlangen zusätzlich Beraterhonorare. Dies alles geschah nicht von heute auf morgen. Es war ein Prozess, der sich hinzog, bis Alfons Bromkamp Ende 2007 pleite war und nicht mehr wusste, wie er seinen Verpflichtungen nachkommen sollte.
Hoch verschuldet und pleite. Was tun?
Die persönliche Insolvenz anzumelden kam für ihn nicht infrage. „Ich kriege das wieder hin, da war ich sicher.“ Immerhin konnte er in der Zeit auf zwei stabile Posten setzen. Der erste war seine Familie. Für Beatrix Bromkamp war klar: Lieber auf 60 Quadratmeter zur Miete mit den beiden Söhnen und Alfons als ohne ihn. Die Pleite wurde Teil der Familienstory, da wollte man als Familie wieder herauskommen.
Der zweite Posten: gute Freunde. Einer davon ist Bromkamps heutiger Mitgesellschafter Christian Fröhlich, der einen Teil der Dinge, die Bromkamp selbst nicht leisten konnte, finanziell kompensiert hat. Ein anderer ist Rüdiger Wolf, seit 1992 und bis heute Gesellschafter der TAS in Mülheim an der Ruhr. Dieser ermöglichte Alfons Bromkamp, innerhalb der TAS Organisation und mit eigenen Gesellschaften wieder auf eine stabile Unternehmerbahn zu finden. Die beiden hatten schon zusammen Kopierer bei der Hoechst AG verkauft und wussten, was sie aneinander hatten. Und so konnte Alfons Bromkamp seinen Gläubigern und dem Finanzamt signalisieren, alles sei zwar nach wie vor schwierig, aber jetzt sei ein Plan da und der Weg bereitet, sich nach und nach aus dem Schlamassel herauszuschaffen.
Es entstand eine kleine Unternehmensgruppe, die Rüdiger Wolf und Alfons Bromkamp dann nach einigen Jahren wieder auseinanderzogen. Die beiden waren beste Freunde und wollten das auch bleiben, auch wenn man in manchen Dingen unterschiedlicher Ansicht war. Die von Wolf und Bromkamp gegründete TAS in Görlitz wurde an den dortigen Geschäftsführer verkauft und Rüdiger Wolf behielt die TAS in Mülheim. Alfons Bromkamp führt heute die Call & Sales an zwei Standorten in Bochum und an einem in Mannheim. Außerdem hält er eine Beteiligung an der IPM AG in der Schweiz und ist ein Joint Venture mit einem Unternehmen aus der Melitta Unternehmensgruppe in Witten eingegangen. „Wir können heute sagen, dass wir in diesem wilden Markt in einer Nische sehr erfolgreich unterwegs sind“, sagt er.
Viel gelernt
Der Rückhalt von Freunden und Familie sowie Grundtugenden wie Fleiß und Beharrlichkeit haben geholfen, dass das furiose Scheitern nicht in eine endgültige Niederlage mündete. Vielmehr steht Bromkamp heute besser da denn je, auch wenn er etwas wehmütig zurückblickt, weil die finanzielle Freiheit, die er sich einmal erarbeitet hatte, verloren ist. „Heute durchdenke ich Entscheidungen gründlicher, hinsichtlich ihrer Wirkung auf mich und andere.“ In der geschilderten Zeit sei er ja auch nicht unvernünftig gewesen, und er habe ja auch nicht nur Fehler gemacht. „Ich habe eine Zeit lang ziemlich ‚nice‘ gelebt, das habe ich mir gegönnt. Dass ich in diese Pleite geschlittert bin, war weniger Leichtsinn, als dass ich einfach davon ausgegangen bin, dass alles schon gut gehen würde.“ Auch für den Unternehmensverkauf damals habe er sich nicht entschieden, um reich zu werden, sondern aus Sorge um den Fortbestand des Unternehmens. Eine daraus gezogene Lehre: Immer wenn er Entscheidungen aus Angst oder Sorge getroffen hatte, etwa um Schlimmes zu vermeiden, dann war das Ergebnis in der Regel schlechter als seine schlimmsten Befürchtungen.
Iris Gordelik und Alfons Bromkamp kennen sich noch aus den Anfangsjahren bei der TAS in Bochum. Sie sagt über ihn, er sei „herzenssauber“. Denn Alfons Bromkamp sei einer, der nie jemanden wissentlich im Regen stehen lässt, sondern fördert und ermutigt. Alfons Bromkamp hat sich über diese Worte sehr gefreut: „Ich glaube, ich kann wirklich von mir sagen, dass ich niemals jemanden übervorteilt habe. Und auch wenn ich auf persönlicher Ebene viel verkehrt gemacht habe, hat das, glaube ich, meiner Reputation in der Branche keinen Abbruch getan.“
Kraft getankt
Seine „mentale Tankstelle“ ist eine junge evangelische Gemeinde, in der er sich zu Hause fühlt, „weil sie die Dinge so sieht, wie sie auch in der Bibel stehen“. In der Bibel stehe nicht, man solle in Sack und Asche gehen, sondern vielmehr solle man sein Leben leben. Auf seinem Schreibtisch liegt ein laminierter Ausdruck des Psalm 23: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Den Psalm trägt er auf seinem rechten Oberarm als Tattoo. Dass es da eine höhere, wohlwollende Macht gibt, daran glaubt er. Zu Überfliegerzeiten zerlegte er einmal einen schicken Maserati. „Ich war eingeklemmt, das Dach lag auf meiner Brust und ich konnte mich null bewegen. Die Feuerwehr sägte mich heraus. Überlebt habe ich aus zwei Gründen: Ich lag im Auto, weil der Rücksitz abgebrochen war und der liebe Gott hatte eine Schwadron Schutzengel geschickt“, lacht er. Das sei zumindest die Analyse des per Helikopter eingeflogenen Notarztes gewesen.
Herzensbildung
In seinem Leben hätte vieles noch viel schlimmer kommen können. Ist es aber nicht. Die Erfahrung hat sein großes Herz noch ein Stück wachsen lassen. Die größte Freude kann man Alfons Bromkamp machen, wenn man das Vertrauen, das er großzügig verschenkt, rechtfertigt. Er durfte erfahren, dass jeder Mensch eine zweite Chance verdient – er ist dankbar für die Chancen, die er bekommen hat und wird nicht müde, andere darin zu ermutigen, Chancen zu nutzen – und zu geben.
Das prägt auch die DNA seiner Firma. In seiner Organisation will er Menschen nicht auf eine Nummer oder einen Deckungsbeitrag reduziert sehen. Er will auch andere dazu ermutigen, betriebswirtschaftliche Interessen mit ethisch wertvollem Handeln in Einklang zu bringen. Sein Unternehmen Call & Sales finanziert langfristig zwei Lehrer und drei Sozialarbeiter, die sich um Kinder und Jugendliche in einem Hort und einem Waisenhaus in Kapstadt/Südafrika kümmern. Für das Projekt (www.vulamasango.org) ist derzeit ein Förderverein in Gründung, Call & Sales Care. Langfristig sollen auch seine Mitarbeiter unter Incentive-Gesichtspunkten die Gelegenheit erhalten, in der Call Center-Region Kapstadt zu arbeiten und Gutes zu tun. „Unternehmen gründet man mit Gewinnerzielungsabsicht, sonst könnte man auch eine Non Profit Organisation aufmachen. Aber Dinge erfolgreich zu machen und gleichzeitig moralisch und ethisch gut, das ist das, was uns ausmacht. Es gelingt uns nicht immer und ist auch manchmal schwer, aber die Triebfeder“, so Alfons Bromkamp.
Was wird in zehn Jahren sein?
Alfons Bromkamps Vorstellung ist die eines aktiven Aufsichtsrats, der irgendwo ein „Büröchen“ hat, in dem ihn der eine oder andere um Rat fragt, es aber nicht tun muss, weil das Unternehmen auch ohne ihn klarkommt. Sein Sohn Boris wird dieses Jahr 30 Jahre alt und ist seit drei Jahren im Unternehmen mit dem Ziel, es zu übernehmen. Der jüngere Sohn Armin hätte ebenfalls die Möglichkeit, der Vater will ihn aber nicht drängen.
Würde Alfons Bromkamp seinen Laden noch einmal verkaufen? Der Zeitpunkt dafür wäre sicher günstig, wo sich doch gerade wieder alles konsolidiert und kleine Konzerne „zusammengedengelt“ werden. „Nein!“, lacht er. „Einen schönen Gruß an die Leserschaft der ‚vernetzt!‘, aber in meiner Organisation gibt es keine Exit-Überlegungen!“
Interview und Text von Ann-Christin Zilling
Fotos: Copyright Alfons Bromkamp
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