Hafners Kolumne 6

2020-11-27T17:58:36+01:0021. September 2012|Tags: , |

Komplexität – reduzieren und wieder aufbauen!

 

 

Komplexität – so definiert es der Kasseler Sprachwissenschaftler Holden Härtl – bezeichnet allgemein die Eigenschaft eines Systems oder Modells, dessen Gesamtverhalten man selbst dann nicht beschreiben kann, wenn man vollständige Informationen über seine Einzelkomponenten und ihre Wechselwirkungen besitzt. Oder – vereinfacht gesagt: Das System hat viele Einzelkomponenten, die sich andauernd verändern.

 

Na? Klingt das bekannt? Wenn man seine Kundschaft einmal vollständig beschrieben hat, dann gibt es so viele Ausnahmen und Veränderungen, dass man eigentlich von vorn anfangen kann. Und teuer war die Übung außerdem. Und genau DAS ist die Crux am Thema CRM. Sie werden im Kundenmanagement nie von vollständigen Informationen ausgehen können. Also muss man zwangsläufig Hypothesen bilden.

 

Hypothesen über das Verhalten der profitabelsten Kunden. Und genau dort ist man an der Stelle, die mich persönlich schon seit Jahren fasziniert: das Bilden einfacher Hypothesen. Die „einfachste“ Hypothese ist sicher die Antwort auf die Frage: „Warum kaufen meine Kunden bei mir und nicht bei der Konkurrenz?“ Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass die Antwort auf diese Frage oftmals zu vielschichtig ist, um im Kundenmanagement wirklich damit arbeiten zu können.

 

Also müssen wir unsere Hypothese erweitern: „Welche Teilentscheidungen des Kunden führen dazu, dass er oder sie mehrmals bei mir kauft und mich weiterempfiehlt?“ Die Antwort darauf ist die Entscheidungskette des Kunden. In unseren Seminaren machen wir das häufig am Beispiel der „Supergranny“ deutlich. Die Supergranny ist zwischen 60 und 70 Jahre alt, gut ausgebildet und wohlhabend – das heißt, sie gibt gern Geld aus. Und außerdem ist ihr langweilig, und sie denkt ständig darüber nach, wie sie ihren Enkelkindern etwas Gutes tun kann. Wenn Supergranny beispielsweise nach einer Ausbildungsversicherung für ihre Enkelkinder sucht, recherchiert sie ZUNÄCHST im Internet.

 

GLEICHZEITIG jedoch verlässt sie sich bei der Optionensuche nicht nur darauf, sondern recherchiert auch in Testzeitschriften und Tageszeitungen. Sie fragt Freunde und Verwandte beim Kaffeekränzchen und auf Facebook. Erst DANN schaut sie sich das Angebot eines konkreten Unternehmens im Web an oder besucht einen Versicherungsvertreter in seiner Filiale.

 

Ihre Kaufentscheidung umfasst also verschiedene Schritte und Touchpoints. Mit dem Wissen darüber kann ein Unternehmen schon sehr fokussiertes Marketing betreiben. Nun gibt es meistens viel mehr Kunden als nur die Supergranny. Wenn man jedoch mit den Entscheidungsschritten eines konkreten Kunden anfängt, so stellt man später fest, dass sich die einzelnen Kundengruppen ausschließlich in der Wahl ihrer Touchpoints unterscheiden. Und so kann man dann die einmal reduzierte Komplexität Stück für Stück wieder aufbauen.

 

 

Hafners Kolumne: Prof. Dr. Nils Hafner ist internationaler Experte für den Aufbau profitabler Kundenbeziehungen. Er ist Professor an der Hochschule Luzern in der Schweiz und Alumnus der Studenteninitiative MTP . In seinem Blog „Hafner on CRM“ versucht er dem Thema seine interessanten, spannenden, skurrilen und lustigen Seiten abzugewinnen.

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