
„HIRE FOR ATTITUDE, TRAIN FOR SKILLS“
– ODER WARUM BULLSHIT ALLEIN KEINE KUNDENORIENTIERTEN MITARBEITER ERZEUGT
Ich kann es wirklich nicht mehr hören. Beziehungsweise lesen. Die hochtrabenden Einleitungssätze über manchen Jobanzeigen: „You are hired for attitude“, „Unternehmerisches Denken“, „Wir suchen Menschen!“. All das erweist sich in den allermeisten Fällen leider als Bullshit.
Nach wie vor werden offene Stellen meines Erachtens vor allem nach zwei Kriterien besetzt: Welche nachweisbaren Fähigkeiten bringt jemand mit und was soll diese Kombination von Fähigkeiten denn kosten? Liest sich vielleicht ein wenig desillusioniert, wäre aber eine ehrliche Grundlage, auf der man aufbauen könnte. Dann fielen den meisten Personalabteilungen Absagen an Branchenwechselwillige und über 50-jährige Bewerber wesentlich leichter.
Denn in der Tat ist es schlicht und ergreifend in den allermeisten Unternehmen notwendig, bestimmte Skills zu einem vernünftigen Preis so einzusetzen, dass Kunden und Kollegen zufrieden sind. Jedoch gehen diese Fähigkeiten häufig weit über das durch Universitäts- oder Arbeitszeugnisse Abbildbare hinaus.
BEISPIEL GEFÄLLIG? GERNE. Die schweizerische Telekommunikationsfirma Swisscom hat vor ein paar Jahren herausgefunden, dass es an der Servicehotline wesentlich günstiger ist, wenn über 60-jährige Kunden automatisch an über 50-jährige Mitarbeiter verbunden werden. Zwar dauert das Gespräch ein wenig länger als das Durchschnittsgespräch. Dafür sprechen Kunde und Mitarbeiter dieselbe Sprache. Es wird eben nicht von einem „Router“, sondern vielleicht von einer „kleinen schwarzen Kiste“ gesprochen. Das führt dazu, dass der ältere Kunde zu 100 Prozent versteht, wie er sein Problem (oder eben die Einrichtung eines Routers) selbst lösen kann. Im Endeffekt ist er zufriedener, weil das Problem auf genau die Art gelöst werden konnte, die er erwartet. Er fühlt sich gut aufgehoben.
In unserem Beispiel ist die Sprache der älteren Generation eine Fähigkeit. Und zwar in diesem Fall genauso wie ein bestimmtes technisches Wissen, eine bestimmte Muttersprache und eine bestimmte Verfügbarkeit Fähigkeiten sind, die man in einem Telefonsystem abbilden kann, um einen besonders guten Match zwischen dem Kunden und einem dafür geeigneten Mitarbeiter herzustellen. Womit wir dann für diese Kolumne auch schon bei des Pudels Kern wären: Welche Fähigkeiten benötigen wir denn in unserem Unternehmen, um derart gute Kundengespräche hinzubekommen? Haben wir an Alter, Sprache, emotionale Typen oder sogar Sternzeichen (wer dran glaubt …) überhaupt schon gedacht? Und welche „Skills“ könnten denn noch den von vielen Unternehmen angestrebten und so beschworenen Unterschied in der Kundennähe machen?
Dass diese vornehmlich durch eine überragende Problemlösungskompetenz und damit durch Gespräche zwischen Menschen entsteht, daran sollte man eigentlich heute nicht mehr zweifeln. Und daher, liebe Personaler, redet mal mit den Kollegen in der Führung kundennaher Abteilungen und schreibt endlich verständliche, ehrliche Jobanzeigen, bei deren Lektüre es dem gefragten Mitarbeiter am Markt sofort durch den Kopf schießt: „Hey, die suchen ja MICH!“. Dann müsst Ihr Euch auch nicht mehr so kreative Begründungen für die Absagen ausdenken. Aber vielleicht muss man diesen Skill halt noch trainieren.
Hafner Kolumne von: Prof. Dr. Nils Hafner ist internationaler Experte für den Aufbau profitabler Kundenbeziehungen. Er ist Professor an der Hochschule Luzern, Schweiz, und Alumnus der Studenteninitiative MTP . In seinem Blog „Hafner on CRM“ versucht er, dem Thema seine interessanten, spannenden, skurrilen und lustigen Seiten abzugewinnen.