Ganz klar: Ein Hund ist kein Mensch. Und, nein, wir wollen hier auch ganz sicher kein Plädoyer für den bedingungslosen Gehorsam von Mitarbeitern gegenüber ihren Führungskräften halten. Dennoch lohnt sich ein Blick auf ein etwas anderes Führungsverhältnis – das von Polizist und Diensthund. Harald Rudolph (66) arbeitet seit über 30 Jahren mit Leistungshunden. Der Diplomverwaltungswirt und Hauptkommissar a. D. war jahrzehntelang Leiter des Diensthundwesens der Polizei in Hamburg – er hat sozusagen die Ausbilder ausgebildet. Und war mit seinen Leuten zum Beispiel bei den Demonstrationen anlässlich des Strauß-Besuchs in den 80ern dabei. Harald Rudolph wirkt wie ein ganz harter Knochen. Hunde – und zwar auch solche, die ihn nicht kennen und zuhause nur eine mäßige Erziehung genossen haben – folgen dem heute als Hundetrainer, Gutachter und Ausbildungsleiter tätigen Rudolph umstandslos und gern. Wie macht er das bloß? Ein Gespräch mit Harald Rudolph über gute Führung.
Sie haben während Ihrer Laufbahn bei der Polizei zig Diensthundeführer und Hunde ausgebildet. Wer ist schwieriger zu führen: Hund oder Mensch?
Harald Rudolph: Wenn man mit Menschen und Tieren zu tun hat, ist der Mensch immer der schwierigere Part, denn das Tier leistet keine Widerrede und hat keine schlauen Ideen. Ein Tier versucht sich nach seinen Instinkten und Trieben durchzusetzen. Dagegen setzt man den Gehorsam, und dieser Gehorsam muss stärker sein als das, was das Tier von Natur aus täte. Darauf muss man sich verlassen können.
Gibt es unter Hunden solche, die einfach führungsresistent sind?
Harald Rudolph: Nein. Allerdings ist der Gehorsam bei einem Hund nichts Dauerhaftes, denn man kommt nicht dazu, den Gehorsam ständig abzurufen. Also muss man durch ständige Ausbildung nachlegen. Es gibt Hunde, die hoch triebhaft sind und schon im Alter von wenigen Monaten klarzumachen versuchen, dass sie der Boss sind. Wenn diese Hunde an Menschen geraten, die darauf nicht richtig reagieren, kann es passieren, dass die Hunde ein paar Monate später anfangen zu beißen. Das sind dann Tiere, die oft ein Leben lang eingesperrt oder eingeschläfert werden. Da hat der Mensch versagt. Ein weicher Mensch und ein harter Hund – das funktioniert nicht.
Wie bringt man einem Hund Gehorsam bei?
Harald Rudolph: Indem man auf ihn einwirkt.
Einwirkt?
Harald Rudolph: Durch Zwang und Streicheleinheiten. Früher herrschte Law and Order, da wurde auch mit leichten Stromschlägen gearbeitet, wenn man gemerkt hat, dass sich das Tier unerwünscht verhält. Das ist heute verboten, obwohl die Stromschläge so niedrig dosiert waren, dass sie für Menschen nicht wahrnehmbar waren. Das haben Leute an oberster Stelle entschieden, die nicht versiert sind. Laien sehen das anders als Leute, die 30 Jahre mit Hunden zu tun hatten. Heute hat sich das total geändert. Heute bringt man Hunde oft mit Futter in ein gewünschtes Verhalten. Der Hund reagiert aus der Erinnerung, sein Verhalten setzt sich durch Wiederholung. Den Gehorsam muss man durch Zwang untermauern. Gerade im Dienst hat man mit hoch triebhaften Hunden zu tun. Wenn man merkt, dass der Hund nicht korrekt läuft, dann korrigiert man das mit Leineneinwirkung.
Welche Eigenschaften brauchen Menschen, die Polizeihunde führen?
Harald Rudolph: Wenn man einen Diensthund ausbildet, muss das in einem Jahr funktionieren, sonst ist der Mensch leider nicht geeignet, einen Hund zu führen. Fast alle sind tierlieb, sie dürfen aber nicht zu tierlieb sein, sondern müssen wissen, dass so ein Hund funktionieren muss. Bei Diensthundeführern ist es so, dass der Hund bei ihnen zuhause und in die Familie integriert ist – wenn also entschieden wird, dass jemand nicht geeignet ist, und ihm das Tier weggenommen wird, dann ist das immer auch ein Verlust für die Familie. Der Betreffende hat dann nicht nur berufliche Schwierigkeiten, sondern auch mit Frau und Kindern. Ein Diensthund und dessen Ausbildung kosten sehr viel Geld, da kann das Tier nicht an irgendeinen geraten, der gern einen Hund im Dienst spazieren führen will. Diese Hunde müssen eingesetzt werden. Das muss effektiv sein. Da kann es auch nicht sein, dass zwei Diensthundeführer mit zwei Hunden ein Auto besetzen, damit sie jemanden zum Quasseln haben. Die müssen einzeln fahren.
Wozu werden die Hunde eigentlich eingesetzt?
Harald Rudolph: Grundsätzlich dienen sie zur Verbrechensbekämpfung im Spät- und Nachtdienst oder zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung. In der bloßen Präsenz verkümmern die Fähigkeiten des Diensthundes. Er lebt von Ereignissen, die ihn aktivieren. Wenn er diese Ereignisse nicht regelmäßig hat, versagt er im Einsatz.
Was heißt versagen?
Harald Rudolph: Diensthunde sind in der Regel an der Leine. Solange man sie an der Leine hat, kann gar nichts passieren. Wenn das Tier frei läuft und die Ausbildung nicht stimmt, dann kann das im Fiasko enden.
Sehr viele Menschen wollen gern führen, aber nicht geführt werden.
Harald Rudolph: Das kommt immer auf den Vorgesetzten an. Ich hatte Vorgesetzte, die ich unterschiedlich beurteilt habe. Es gab immer welche, die sich überzeugen ließen, wenn man die richtigen Argumente hatte. Aber es gab auch andere, die falsch informiert waren und diese Information einfach übernommen haben, ohne Argumente gelten zu lassen.
Was braucht ein Mensch, der andere gut führen will?
Harald Rudolph: Fachliches Wissen und Können spielen eine Rolle. Wenn jemand, der kein Fachwissen hat, seine Vorstellungen durchsetzen will, dann wird es schwierig. Man kann – nicht nur als Hauptkommissar, sondern in jeder Führungsposition – nur mit persönlicher und fachlicher Autorität überzeugen. Dabei ist man nicht allein. Ich hatte zum Beispiel fünf Ausbilder und musste nur dann einschreiten, wenn etwas Besonderes anlag, zum Beispiel wenn es Schwierigkeiten zwischen Lehrgangsteilnehmern und Ausbildern gab.
Welches sind für Sie die Eckpfeiler guter Führung?
Harald Rudolph: Führen heißt Leiten und Lenken. Jemand, der andere führt, muss Ahnung von der Materie haben und dadurch überlegen sein. Für mich war immer absolute Klarheit wichtig. Ich war vielleicht ein bisschen verschrien, weil ich auf manche einen harten Eindruck mache. Hart, aber fair. Jeder hat mehrmals die Möglichkeit gehabt, seine Chancen zu nutzen oder begangene Fehler zu korrigieren. Ich habe keine einsamen Entscheidungen gefällt, sondern meine Mitarbeiter immer angehört. Wenn es um Fachliches geht, kommt man schnell auf einen gemeinsamen Nenner. Wenn es um das Persönliche geht, sind viele nicht mehr so klar – dann blieb die Entscheidung an mir hängen und das war auch richtig so. Die Klarheit der Entscheidungen muss immer erkennbar sein, damit jeder weiß, woran er ist. Auf Ausnahmefälle kann man keine Rücksicht nehmen. Fehlerfrei ist niemand, deshalb muss man jedem Fehler zugestehen – allerdings sollte erkennbar sein, dass dieser Mensch aus seinen Fehlern lernt.
Kann man persönliche Autorität erlernen?
Harald Rudolph: Nein, ich glaube, persönliche Autorität ist nicht erlernbar.
So etwas wie ein Hundeflüsterer: Hauptkommissar a. D. Harald Rudolph hat jahrzehntelang Polizeihunde und deren Ausbilder ausgebildet. Heute führt er mit seiner Partnerin eine Hundepension in Mecklenburg-Vorpommern, die gerade bei Hamburgern sehr beliebt ist. Dort gibt’s auch Trainings, die den Städtern zeigen, wie man einen Hund richtig führt. Jeder, der einen Hund hält, müsse wissen, dass in dem Hund immer ein bisschen Urtier steckt – je nach Rasse mehr oder weniger ausgeprägt, sagt Rudolph. Diesem Urtier müsse man entgegenwirken. Und wer selbst keine Ahnung habe, wie man das macht, der müsse sich Leute suchen, die Ahnung haben. Recht hat er.
Text: Vera Hermes
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