So ein Mitarbeiter ist ja nicht immer ein gefälliger Mensch. Man denke an unwillige Service-Kräfte oder auch GDL- Gewerkschaftsführer, die das Land infrastrukturell genauso gern lahm legen wie erpresserisch veranlagte Lufthansa- Piloten. Na, und deshalb haben wir von “vernetzt!” jemanden gesucht, der die Sache mit den Mitarbeitern noch mal mit spitzer Feder betrachtet.
Mit Mathias Haas haben wir diese spitze Feder gefunden: „Erst der Mitarbeiter, dann der Kunde“ – das ist Quatsch! Erst kommt der Kunde, dann kommt der Mitarbeiter. Okay, in Zeiten des demografischen Wandels muss man vielleicht darüber nachdenken. Ich habe von einer Anwaltskanzlei gehört, die eine andere Kanzlei gekauft hat – nicht wegen der Klienten, sondern wegen der Mitarbeiter. Es kommt natürlich immer auf die Branche an. Je schlechter eine Branche zahlt, desto mehr Chichi muss sie machen, damit die Leute bleiben. Wobei ja auch das Social Freezing zeigt, wo die Nachwuchssorgen anfangen. Im Silicon Valley verdient ein Techie im Durchschnitt 100.000 Dollar im Jahr – in einem Land, in dem sonst 48.000 Dollar im Schnitt verdient werden. Grundsätzlich glaube ich, dass Mitarbeiter zu motivieren schwieriger werden wird. In der Konsequenz wird Führung anstrengend.
„WEIL DIE MEISTEN SUGAR DADDY SEIN WOLLEN – SIE BRAUCHEN ABER EIN SEHR, SEHR GUTES GESCHÄFTSMODELL, UM ALS SUGAR DADDY ERFOLGREICH ZU SEIN.“
Es gibt den Engagement-Index von Gallup. Laut diesem Index leisteten im Jahr 2013 satte 67 Prozent der deutschen Arbeitnehmer Dienst nach Vorschrift, 17 Prozent gaben an, überhaupt keine emotionale Bindung an ihr Unternehmen zu haben. Ich vermute, die Leute werden einfach immer anspruchsvoller, weil sie es sich leisten können. Schon Kinder und Jugendliche haben heute in unseren Breiten enorm viel Macht. Sie sind schon im Alter von drei, vier Jahren sehr selbstbewusst. Sie entscheiden mit über die Wahl des Autos oder wohin es in den Urlaub geht. Und: Sie sind das emotionale Zentrum der Familie. Deutschland zum Beispiel hat die höchsten Ausgaben für Spielzeug weltweit. Die Gleichung lautet: Wenig Kinder, viel Aufmerksamkeit. Die Folge: Wenn sie nicht in schwachen sozialen Schichten aufwachsen, haben diese Kinder zu 1000 Prozent einen Job.
Unsere Jugendlichen haben gemerkt: Sie sind wichtig. Sie haben Macht. Sie müssen nicht hart arbeiten (es wird ihnen auch oft genug gesagt). Ihr Anspruch an ihre Arbeit ist nicht in erster Linie Geldverdienen, sondern Inhalt. Sie wollen einen Job, der sie glücklich macht und der sinnvoll ist. Dadurch wird Führung extrem herausfordernd: Als Chef können Sie nicht mehr sagen: Wir laufen jetzt alle nach links – sondern Sie müssen vorher 16 Veranstaltungen einberufen und erklären, warum Sie denn nach links möchten und warum bitte alle mitkommen sollten (auch davon leben mein Team und ich).
Ob Mitarbeiter oder Kunde zuerst kommt, ist eine philosophische Frage. Ich finde, man muss seinen Laden gnadenlos an seinen Kunden ausrichten, damit jeder Mitarbeiter weiß, wo das Budget herkommt. Und ich glaube, dass man nur dann erfolgreich ist, wenn man sich am Kunden ausrichtet. Bei Dienstleistungen kann man sicherlich nicht gegen die Mitarbeiter gut zum Kunden sein. Bei automatisierten Prozessen bin ich nicht so sicher. Denken Sie an Lokführer – es wird derzeit aus gegebenem Anlass über führerlose Loks nachgedacht.
Und wo wir gerade dabei sind: Es gibt auch Überlegungen, ob und wie Flugzeuge künftig nur mit einem Piloten fliegen können. Die Entwicklung geht also in zwei Richtungen: Auf der einen Seite werden Mitarbeiter immer mehr gepampert, weil sie aufgrund der demografischen Entwicklung weniger werden. Auf der anderen Seite werden sie mithilfe von Automatisierung durch Maschinen oder Software ersetzt. Bereiche wie Bildung, Pflege, Steuerprüfung werden massiv automatisiert werden. In jeder Branche findet unsere Trendbeobachtung Beispiele. Mangelnde Kundenorientierung ist oft auch das Ergebnis schlechter Führung. Viele Mitarbeiter bekommen keine Fixsterne. Sie hätten gerne Führung, kriegen sie aber nicht.
Alfred Herrhausen hat gern Ingeborg Bachmann mit dem Satz zitiert „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“. Heute trauen sich viele Führungskräfte einfach nicht, ihren Mitarbeitern die Wahrheit zu sagen. Zum Beispiel die Wahrheit, dass nicht der Chef, sondern jeder selbst dafür verantwortlich ist, dass es ihm gut geht. Oft sind die Jungen konservativer als die Älteren und sehen sich quasi als Opfer ihrer Chefs.
Die Frage ist, wie es Führungskräfte schaffen können, ihre Mitarbeiter mitzureißen. Die meisten Führungskräfte können das nicht. Führung wird schwierig, weil die meisten Sugar Daddy sein wollen – Sie brauchen aber ein sehr, sehr gutes Geschäftsmodell, um als Sugar Daddy erfolgreich zu sein. Wir brauchen Führungskräfte, die Querdenker aushalten und Quereinsteiger einstellen, was verdammt anstrengend ist. Führungskräfte sollten mehr Pippi Langstrumpfs einstellen und weniger Jim Knopfs. Jede Führungskraft sollte sich außerdem fragen: Wie stresse ich meine Mitarbeiter so, dass sie in Bewegung bleiben, agil bleiben? Und sie sollten Kundenorientierung vorleben: Warum sind die meisten Parkplätze vor einem Unternehmen die Chef-Parkplätze und nicht die Kundenparkplätze?
Die Leute merken, ob die Führungskräfte es ernst meinen. So behaupten ja auch alle, sie hätten eine Fehlerkultur – aber kaum einer pflegt diese Kultur tatsächlich. Wenn Mitarbeiter Angst haben, gehen sie aber kein Risiko mehr ein und beschreiten keine neuen Wege. Fest steht wohl: Wenn man die richtigen Angestellten hat, ist man aus Kundensicht weniger austauschbar. Von daher ist die Frage: „Erst der Mitarbeiter, dann der Kunde?“ vielleicht doch kein Quatsch.
EIN KOMMENTAR VON MATHIAS HAAS
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