Liebe Leserin, liebe Leser, eigentlich sollten Sie hier ein Pro & Contra lesen. aber das Thema, das wir uns dafür ausgesucht hatten, ist nicht schwarz oder weiß. es ist grau. Wie bei so vielen Fragen, die die Welt zurzeit beschäftigen, gibt es auch beim Thema Daten keine einfache Antwort, kein Entweder-oder, kein Ja oder Nein, kein Pro oder Contra. Wir danken Martina Tomaschowski und Stefan Michels herzlich, dass sie unsere These völlig zu Recht differenziert betrachten.
Stefan Michels, Leiter Kundendialog, ALDI Nord
Es ist so verdammt verführerisch: Mehr Wissen, mehr Daten und damit mehr Details sollen ja angeblich helfen, die Kunden maximal gut zu verstehen, noch personalisiertere Angebote auszuspielen und Services anzubieten, noch bevor der Kunde überhaupt weiß, dass er einen Service braucht. Supermärkte in Übersee und auch bei uns werden voll automatisch und damit noch bequemer. Die Daten, die dort gesammelt werden, helfen dann wieder, den Service, die Laufwege und die Produktverfügbarkeiten weiter zu optimieren. Handys werden mit der Gesichtserkennung entsperrt, damit die Handhabung des mobilen Allrounders noch bequemer wird. Autos sammeln Bewegungsdaten, Informationen über Staus und Baustellen, damit diese in optimierte Informationen für Navigationsgeräte übertragen werden können und das teil- beziehungsweise autonome Fahren noch schneller kommen kann.
Bei jeder Bewegung im Netz werden Daten gesammelt, die dann helfen, auf der nächsten besuchten Webseite Angebote, Produkte und, was einem noch so einfällt, anzubieten. Ziel soll sein, dem Menschen am Ende ein breites und zufriedenes Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Alles muss schnell und einfach werden, man muss und soll gar nicht mehr nachdenken. Alles soll immer und überall verfügbar sein, und Zeit hat man heute und in der Zukunft nicht mehr. Höher, schneller, weiter.
Verrennen wir uns?
Bei allen Diskussionen über das Thema Daten und was wir damit alles machen wollen, frage ich mich immer wieder: Haben wir eigentlich noch den richtigen Fokus – im besten Fall den Kundenfokus – oder sammeln wir einfach, was das Zeug im Rahmen der DSGVo hält? Wissen wir eigentlich noch, was genau wir vorhaben? Nehmen wir die Menschen da draußen noch mit und können wir noch offen und ehrlich transportieren, warum wir was sammeln? Hören wir noch wirklich zu, treten wir noch in den Dialog und die Interaktion oder interpretieren wir nur noch aus Daten?
Auch ohne Massendaten, Ki und Algorithmen sind Handelsunternehmen groß geworden. Wie hat das geklappt und was davon sollten und müssen wir beibehalten für die Zukunft, weil wir sonst verlernen, uns auf unser Gespür und auf „undigitale Werte“ zu verlassen, und wir nur noch fremdgesteuert durch Daten, Vorschläge und KI durch die Welt laufen?
Wir müssen wieder stärker einen klaren Fokus haben, den wir dann auch transparent und verständlich an einen Großteil der Menschen transportiert bekommen. es darf auch mal was nicht verfügbar sein, man darf auch mal im Stau stehen oder man darf auch mal mit einem Menschen an der Kasse in der Schlange oder beim Bezahlen plaudern. mit diesen Dingen sollte uns auch in Zukunft nicht langweilig werden.
Martina Tomaschowski, Chief Marketing Officer, SVP Marketing Mitglied der Geschäftsleitung, Empolis Information Management GmbH
Na, haben Sie vor Weihnachten auch fleißig nach Geschenkideen gegoogelt, diese dann bei Amazon bestellt und sich abends mit Freunden über Whats- App oder Facebook zum Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt verabredet? Sammeln Sie nicht auch Punkte bei Kundenbindungsprogrammen und sind im neuen Jahr mit guten Vorsätzen und einem Wearable am Handgelenk gejoggt? Hand aufs Herz – die Dienste der Konzerne sind beliebt wie nie, obwohl wir alle wissen, dass wir im Netz üblicherweise mit unseren Nutzerdaten zahlen.
Einerseits haben wir dieses allgemeine Unbehagen, wie mit unseren Nutzerdaten umgegangen wird. Aber andererseits möchten wir nicht auf die beste Suchmaschine, das breiteste und oftmals preislich beste Angebot sowie die unkomplizierte Kommunikation verzichten. „Das eine tun und das andere nicht lassen (können).“
Seit Mai 2018 greift die DSGVO, und Unternehmen verhalten sich entsprechend konform mit zuverlässigem Datenschutz. Zudem hat jeder Verbraucher die Möglichkeit, sein Recht auf Datenschutz und Privatsphäre – bei Zweifel dokumentiert – einzufordern. Aber letztendlich ist das persönliche Nutzerverhalten der eigentliche Schlüssel zu einem kontrollierten Umgang mit den eigenen Daten. Wir entscheiden selbst, wem wir welche Informationen übergeben. Hierfür müssen wir uns auch etwas Zeit nehmen, AGB lesen und nicht aus Bequemlichkeit diverse – als optional markierte – Formularfelder mit einem schnellen „Ja“ wegklicken. Das Prinzip der Datensparsamkeit fordert nicht nur Unternehmen, sondern auch uns als Betroffene! Aus gesellschaftlicher Perspektive bietet die Anonymisierung und Pseudonymisierung von Daten die Möglichkeit, „intelligente Dienste“ zu entwickeln, zum Wohle der Allgemeinheit.
Die Vielzahl der Daten in den Bereichen Medizin, Industrie und Mobilität sollten wir nutzen, um auch im internationalen Digitalisierungsrennen vorne mit dabei zu sein.
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