
Reiner Straub kennt sich mit dem Thema HR bestens aus – er lenkt als Herausgeber seit über zehn Jahren die Geschicke des „Personalmagazins“ und ist Publisher von haufe.de
Herr Straub, wie hat sich die Suche nach Top-Führungskräften mit der Digitalisierung verändert?
Reiner Straub: Die Suche nach Top-Führungskräften läuft weiterhin über Personalberater, deren Geschäft boomt. Seit Jahren wird zwar über die Disruption der Personalberaterbranche diskutiert, doch diese besteht derzeit vor allem darin, dass die Headhunter die sozialen Netzwerke durchforsten, um Kandidatenlisten zu erstellen. Durch die Digitalisierung ist das Research deutlich einfacher geworden. An dem Thema Ansprache, Überzeugung und Auswahl von Kandidaten hat sich nicht viel geändert. Was sich aber ändert und ändern muss, ist die Kultur in vielen Personalberatungen: Diese ist teilweise immer noch dünkelhaft, chauvinistisch und elitär, vielfach fehlen Teamgeist, Diversity und Transparenz.
Wie schätzen Sie den Einsatz von KI-Technologien im Recruiting ein?
Reiner Straub: Der Einsatz von KI-Technologie hat zwei Seiten. Einerseits ermöglicht KI Technologie Rationalisierungseffekte, um große Mengen an Bewerbungsunterlagen zuverlässig und nach klaren Kriterien zu checken und eine valide Vorauswahl zu treffen. Andererseits bringt KI-Technologie neue Gefahren mit sich. Ich möchte zwei nennen: Erstens: Algorithmen arbeiten vor allem mit Vergangenheitsdaten, das heißt, Diskriminierungen, die in der Vergangenheit die Auswahl prägten, können mit dem Algorithmus fortgeschrieben werden. So musste beispielsweise Amazon einen Test abbrechen, weil der Algorithmus systematisch Frauen diskriminiert hat. Zweitens: Technologieanbieter wie HireVue führen unter dem Stichwort KI Diagnoseverfahren durch, bei denen die Gestik, Mimik oder Sprache der Bewerber analysiert wird. Die Verfahren sind nicht ausreichend evaluiert und damit unbrauchbar für eine gute Personalauswahl.
Wie haben sich die wechselseitigen Erwartungen der Kandidaten und Unternehmen in den vergangenen Jahren gewandelt?
Reiner Straub: Langzeitstudien zeigen, dass sich an den Motivationsfaktoren nicht viel ändert. Der Sinn der Tätigkeit wird derzeit gehypt, war aber schon immer ein zentraler Motivationsfaktor. Generell gibt es unterschiedliche Typen von Mitarbeitern. Manche sind macht- und karriereorientiert, andere sach- und teamorientiert. Je nach Typ oder auch Lebensphase spielt das Thema Geld eine unterschiedliche Rolle.
Das Interview mit Reiner Straub führte Vera Hermes