
In unserer neuen Kolumne „THINK OUTSIDE THE BOX“ skizzieren kluge Köpfe aus der Branche Trends, Thesen und Themen rund um Customer Service-Excellence.
Roland Schleicher, Wirtschaftsinformatiker und ehemaliger McKinsey-Mann, verantwortet als Chief Operations Officer (COO) und Geschäftsführer den Kundenservice, die IT sowie die Weiterentwicklung und digitale Transformation sämtlicher operativer Prozesse in der Tele Columbus Gruppe.
Mit und von ROLAND SCHLEICHER
Service ist das neue Produkt
Einer Umfrage zufolge sagen 80 Prozent der befragten Führungskräfte, dass ihr Unternehmen kundenorientiert ist – allerdings bestätigen dies lediglich 20 Prozent von deren Kunden. Beim Thema Kundenzufriedenheit herrscht also oft eine verbale Aufgeschlossenheit bei anhaltender Verhaltensstarre. Diese Verhaltensstarre aufzulösen stellt viele Unternehmen vor eine große Herausforderung.
Bei Tele Columbus mit der Marke PŸUR haben wir diese Herausforderung erfolgreich gemeistert, mit den folgenden Resultaten:
- Fünf Quartale in Folge positives Kunden-Nettowachstum beim strategischen Produkt „Breitband-Internet“, verstärkt getrieben durch Churn Reduktion.
- 70 Punkte Steigerung im Net Promoter Score beim kritischen Kontaktpunkt „Kundenservice“.
- Externe Bestätigung durch Connect Hotline-Test „sehr gut“ sowie CX1 Award, beide im September 2020.
Welche Rolle der Kundenservice einnimmt, war und ist entscheidend für einen solchen Erfolg. Für Kunden ist der Service schon länger ein wesentlicher Treiber bei der Kaufentscheidung. Viele Unternehmen allerdings gestehen dem Kundenservice häufig noch immer eine eher untergeordnete Rolle zu – sie betrachten Service häufig als Cost Center und ersten Kandidaten, wenn es um jährliche Einsparpotenziale geht. Das führt zu einer Negativspirale, in der das Personal nicht hinreichend qualifiziert und ausgebildet ist und im Zweifel daher auch nicht befugt, Kundenprobleme schnell und unkompliziert zu lösen.
Stattdessen kann und muss der Kundenservice die unternehmensweite Customer Experience (CEX)-Transformation lenken und führen, da er am nächsten am Puls des Kunden agiert. Damit kann der Grundstein gelegt werden, um Service als Produkt – und somit eine mögliche Differenzierung im Wettbewerb – zu positionieren. Das bedeutet nicht zwangsweise, dass für den Kundenservice erheblich mehr investiert werden muss – im Gegenteil: Ein sehr gutes Kundenerlebnis kostet weniger.
„Must dos“, um eine solche Evolution zu meistern
Zu Anfang das „Warum“ beantworten: Die CEX-Strategie im Kontext der Gesamtstrategie.
Es ist essenziell, auf Ebene der Unternehmensführung ein gemeinsames Verständnis dafür zu schaffen, welche Rolle Kundenzufriedenheit für den Unternehmenserfolg spielt. Bei PŸUR steht seit 2018 die Überzeugung im Kern der Wachstumsstrategie, dass Kundenzufriedenheit – gemessen am NPS – der führende Indikator für Wachstum ist. Sprich: Wenn die Weiterempfehlungsbereitschaft steigt, werden die Kundenbasis und damit das Unternehmen wachsen.
Als Nächstes das „Was & Wie“ beantworten: Strategische Stoßrichtungen.
Betriebliche Prozesse & Kundenservice richtig gut machen:
Hier geht es in erster Linie darum, Kundenprobleme oder -fragen zu vermeiden, indem die Qualität der operativen und betrieblichen Prozesse sehr hochgehalten wird – sprich: Es geht um exzellente Kundenreisen. Wenn doch ein Bedarf entsteht und sich ein Kunde meldet, ist es essenziell, erreichbar zu sein, auf den Kunden einzugehen und Probleme beim ersten Kontakt zu lösen – und zwar mit Benchmark-Werten im Industrievergleich.
Dazu gehört auch „Forecasting 2.0“, bei dem sämtliche Ereignisse mit Kundenrelevanz konsolidiert und bewertet werden. Es geht also nicht mehr nur um das reine Forecasting von Kontakten, sondern um die aktive Orchestrierung und zeitliche Taktung der verschiedenen Business Roadmaps durch den Kundenservice.
DNA der kontinuierlichen Verbesserung im Unternehmen verankern:
Hier geht es darum, die Kundenerfahrung in den Mittelpunkt zu stellen und den Fokus des gesamten Unternehmens auf die kontinuierliche Verbesserung zu legen. Prämisse dafür ist die Messbarkeit der Kundenerfahrung, zum Beispiel über den NPS. Bei PŸUR erhalten wir alle drei Minuten ein Kundenfeedback; diese Feedbacks werden konsolidiert, analysiert und in Verbesserungen übersetzt. Essenziell ist zudem die Verankerung der Kundenzufriedenheit in den Zielvereinbarungen auf allen Unternehmensebenen.
Digitalisierung und Automatisierung:
Hierbei geht es zum einen darum, einen latenten Kundenbedarf zu bedienen – nämlich der digitalen Kunden. Bei PŸUR haben wir mit MeinPŸUR einen digitalen „24/7 One-Stop-Shop“ für sämtliche Kundenbelange geschaffen.
Zum anderen geht es darum, Kundenreisen (Customer Journeys) zu automatisieren und Ende-zu-Ende zu transformieren. Der Effekt ist gut zu sehen am Beispiel der Vereinbarung von Vor-Ort-Techniker-Terminen zur Entstörung eines Anschlusses: Diese können mittlerweile durch den Kunden im Self-Service verbindlich vereinbart werden. Die dafür notwendigen Systemintegrationen und Automatisierungen haben gleichzeitig zu einer 30 bis 40-prozentigen Steigerung der Field Service-Produktivität geführt. Damit werden also gegebenenfalls bestehende Kostensenkungsziele unterstützt.
Service als Produkt:
Gerade im Telekom-Sektor besteht über kurz oder lang keine Differenzierung mehr durch das Produkt an sich. Beispiel Internetprodukt: Alle Anbieter bieten 50, 100, 200 Mbit/s oder sogar noch höhere Bandbreiten an. Service bietet in einem solchen Fall eine Möglichkeit zur Differenzierung – dazu braucht es ein glaubhaftes, relevantes und abrufbares Service-Versprechen. Bei PŸUR haben wir mehrere Produkt-Teams entlang der wichtigsten Kundenreisen gebildet, die vom Service-Design bis zur Service-Umsetzung die Verantwortung tragen – im agilen Kontext häufig „Squads“ genannt.
Zusammenfassend: Die Verhaltensstarre beim Thema Kundenzufriedenheit lässt sich auflösen, es erfordert aber (1) das „All In-gehen“ der Top-Entscheider sowie (2) eine fundamentale Evolution der Rolle des Kundenservice.