Der Weg zur Lovebrand in Social Networks
Schöne neue Marketingwelt. Jahrelang haben Unternehmen versucht, mit Gewinnspielen, Rabattaktionen, Testingdays und Samples den Kunden dazu zu bringen, mehr von sich preiszugeben. Alles ohne nennenswerte Ergebnisse.
Und plötzlich: ZACK! Der Kunde erzählt von sich selbst, gibt Hobbys, Lieblingsfilm und Musik, Freunde und Familie preis. Auf Facebook. Und warum? Weil er uns und unsere Marke gernhat. WOW! Warum eigentlich? Wie schaffen es Unternehmen, im Social Media zur Lovebrand zu werden, und wie vermeidet man schlimme Desaster? Eine kleine Provokation.
500 Millionen Menschen nutzen Facebook. So weit ganz toll. Wäre diese Plattform ein Land, so wäre sie das drittbevölkerungsreichste der Erde. Wäre ich reich und berühmt, müsste ich diesen Artikel nicht schreiben. Bin ich aber nicht. Und Facebook ist natürlich kein Land. Das macht es ja gerade spannend. Dass sich hier unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichem Background, unterschiedlicher Kultur und unterschiedlichem Wissen austauschen. Und das in einer Altersrange von 12 bis 72 Jahren. Und so unterschiedlich die Menschen sind, die Facebook nutzen, so unterschiedlich und facettenreich sind auch ihre Interessen und Ideen, die sie auf dieser Plattform teilen.
Es geht also um Individualität und die wird mitgeteilt und geteilt. Das gilt auch für Marken. Beliebt sind Marken, die etwas aussagen und ihren Kunden unmissverständlich klarmachen, wofür sie stehen. Denn: Nachahmen und Mittelmaß abliefern können auch andere. Es geht aber nicht nur darum, „anders“ zu sein. Aus irgendeinem Grund muss der Kunde den „Gefällt-mir-Button“ drücken, um seine Verbundenheit mit unserem Produkt oder unserer Dienstleistung auszudrücken. Es/Sie darf also auf gar keinen Fall mit sozialen oder realen Risiken behaftet sein, damit sich der Kunde guten Gewissens zu seiner Lovebrand bekennen kann.
Das durfte im vergangenen Jahr beispielsweise Nestlé erleben. Greenpeace war der Palmölverbrauch aus nicht nachhaltiger Produktion ein Dorn im Auge, und mit der intelligenten viralen Kampagne „Give the Orang Utan an break“ auf YouTube und Facebook gelang es Greenpeace, so viele Kunden zu aktivieren, dass das Weltunternehmen Nestlé kommunikativ unter Druck geriet. Nestlé fiel dann nichts Besseres ein, als die „betroffene“ KitKat-Fanpage abzuschalten.
So wird man natürlich nicht zur Lovebrand, sondern bekommt den Social-Media-Zonk. Schön ist es auch, wenn Kunden mit ihrer Lovebrand interagieren wollen, das betreffende Unternehmen sich aber erfolgreich der Kommunikation verweigert. Als gutes Beispiel hierfür gilt die schweizerische Großbank UBS, die in schöner Regelmäßigkeit auf Facebook eine Community mit bis zu 7.500 „Fans“ (Stand Juni 2010) aufbaut, ohne dann mit diesen zu kommunizieren. Irgendwann wird diese „Fanpage“ dann abgeschaltet – und taucht nach ein paar Wochen wieder auf, ohne dass die UBS auf dieser Page einen wie auch immer gearteten Content publiziert. Wahrscheinlich in der irrigen Annahme, so könne man keine Fehler im Social Web begehen. Man kann – quod erat demonstrandum.
Ganz anders die deutsche Lufthansa oder Nespresso. Mit über 160.000 beziehungsweise über 650.000 Fans kann man hier schon von veritablen Lieblingsmarken reden. Was haben diese Unternehmen gemein? Sie bespielen ihre Zielgruppen wertstiftend. Bieten Sonderaktionen, Zusatzinformationen, Filme und Bilder rund um ihre begeisternden Produkte und Dienstleistungen an. Und bleiben dabei authentisch und unterhaltsam.
Denn: Facebook als „Flaggschiff“ des Social Media lebt von authentischen, unverwechselbaren Interessen – sei es von Menschen oder von Marken. Wie wertvoll das sein kann, demonstrieren heutzutage ganz neue Unternehmen, die sich vor allem über soziale Netzwerke vermarkten oder selbst Elemente des „Mitmachwebs“ verwirklicht haben. Dazu zählen die Community-Bank Fidor, die Reisebewertungsplattform HolidayCheck oder auch der Schokoladenbaukasten-Anbieter chocri.
Eine solche Positionierung kann auch für alteingesessene Marken interessant sein. Nicht umsonst beteiligt sich eine Firma wie Ritter Sport mit 33 Prozent an dem Berliner Start-up chocri. Dabei ist Ritter Sport schon selbst Lovebrand genug. Schließlich hat mir meine Großmutter jahrelang eine Tafel Ritter Sport und einen Zehnmarkschein zugesteckt. Den Zehnmarkschein gibt’s nicht mehr. Aber zumindest für die Marke hab ich noch Hoffnung.
Text: Dr. Nils Hafner ist Professor für CRM am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern und Leiter des Customer Competencies Institut in Zürich und Kreuzlingen. Den Experten für die Etablierung und Gestaltung profitabler Kundenbeziehungen fin- den Sie bei Twitter, auf Facebook und bei Wikipedia. Und wenn Sie ihn live und in Farbe erleben möchten, so haben Sie auf der CallCenterWorld 2011 vom 22.-24. Februar in Berlin die Gelegenheit dazu. Dort wird er zu dem Thema „Social Media: Fluch oder Segen für die Call Center von morgen?“ sprechen. http://hafneroncrm.blogspot.com
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