Die Natur weiß schon, was sie tut: Sie hat Hühner, Schafe, Kühe und Schweine hervorgebracht. Diese Tiere sind echte Vollblutprofis. Mit einer beeindruckenden Zuverlässigkeit liefern sie ihr ganzes Leben lang erstklassige Qualität ab. Die Natur ist noch nicht auf die Idee gekommen, diese Profis durch einen „Allrounder“ zu ersetzen.
Dazu mussten erst Konzerne von Menschenhand geschaffen werden. Diese haben dann in komplizierten Prozessen und Stellenprofilen einen völlig neuen Typus geschaffen: den Alleskönner – also einen dem Menschen zugewandten Zahlenversteher mit Visionskraft und strategischem Können, natürlich teamorientiert und durchsetzungsstark. Sowie je nach Bedarf detailverliebt oder die große Linie verfolgend.
Die Eier legende Wollmilchsau eben. Mutter Natur würde sich den Bauch halten vor Lachen, so sie einen hätte, ist sie doch in Millionen von Jahren nicht auf eine solche Idee gekommen. Und das aus gutem Grund, hätte dieses Wesen doch keine Chance, gegen einen Profi zu gewinnen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es geht nicht darum, die alte Diskussion vom Spezialisten versus Führungskraft aufkommen zu lassen. Dieses Thema ist in vielen Unternehmen gelöst, und es ist für eine Führungskraft in vielen Branchen schon längst keine Schwäche mehr, nicht mehr alles zu wissen und Spezialisten bei Entscheidungen hinzuziehen. Vielmehr geht es um die originäre Führungsarbeit. Auch diese fordert so unterschiedliche Fähigkeiten, dass es fast unmöglich ist, sie alle in einer Person abzubilden.
Die angelsächsische Fachliteratur unterscheidet schon lange zwischen Management und Leadership. Im deutschsprachigen Raum gibt es diese Unterscheidung kaum, und wenn, dann nur mit sehr sperrigen oder irritierenden Doppelbedeutungen wie Entrepreneurship oder Unternehmertum. Gestatten Sie mir daher, einfach die englischen Worte Leader und Manager zu nutzen. Warren Bennis, ein US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und eine der führenden Autoritäten im Bereich Organisationsentwicklung, hat sich intensiv mit den unterschiedlichen Eigenschaften von Leadern und Managern beschäftigt. Es ging und geht ihm dabei bis heute nicht um ein Falsch oder Richtig, sondern um das Erkennen der Eigenschaften und die optimale Nutzung dieser Erkenntnisse. Für Unternehmen haben Manager (männlich wie weiblich) viele Fähigkeiten, die für den Erfolg unersetzlich sind – sie achten auf Strukturen und Prozesse, kontrollieren, fragen, wie und wann Ergebnisse erzielt werden, und denken auch in kurzfristigen Zeitabschnitten. Der Manager ordnet sich in Hierarchien und Strukturen ein. Tendenziell bewahrt und erhält er Fähigkeiten. Ganz wichtig für ihn ist, dass er die Dinge richtig macht.
Kurzum: Er steht seinen Mann/seine Frau. Egal auf welcher Hierarchieebene.
Ganz anders der Leader. Der fragt in aller Regel nach dem Was und Warum, er konzentriert sich auf Menschen, denkt langfristig, fordert immer wieder den Status quo heraus und ist in der Regel ein „Typ“. Konzerne und sehr arbeitsteilige Unternehmen tun sich oft schwer mit diesen Menschen, da diese am meisten Energie entfalten, wenn es um Erneuerung geht. Ertragen Unternehmen diese Menschen nicht, dann verlieren sie das Potenzial und die Kraft, die diese Leader hervorbringen. Im schlimmsten Fall führt dies zu einem Mangel an Kreativität, Innovation und Energie.
Um es noch einmal in Erinnerung zu rufen: Es geht hier nicht um falsch oder richtig. Ein Haus voller guter Leader in den oberen Etagen hat gute Chancen, im Chaos zu versinken. Ein Haus voller Topmanager wird wohl über kurz oder lang seine Beweglichkeit und Innovationskraft verlieren.
Ein Plädoyer für die Artenvielfalt
Für viele liegt die Lösung auf der Hand: „Her mit der Eier legenden Wollmilchsau!“ Aber das hatten wir ja schon. Wenn wir auf Champions im Markt schauen, dann haben diese Unternehmen in ihren Topetagen etwas geschafft, was auch zu den großen Stärken der Natur zählt: Artenvielfalt zuzulassen und zu pflegen.
Text:
Thomas Hohlfeld ist geschäftsführender Gesellschafter von Ribbon & Partner in Hamburg. Der Unternehmensberater kombiniert drei Disziplinen: eine profunde Kenntnis des Telekommunikations-, Banken- und Service-Dienstleistungsmarktes, 17 Jahre Topmanagement- und Führungserfahrung und eine mehrjährige Tätigkeit im Change- Management. Wer regelmäßig den Kongress CallCenterWorld besucht, kennt Thomas Hohlfeld zudem als lockeren Moderationsprofi.
www.ribbon-und-partner.de
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