Ehe ein Mensch überhaupt nur den Hauch einer Chance hat, durch Kompetenz und Know-how zu glänzen, vermittelt er einen ersten Eindruck. Kleidung, Körpersprache und Manieren prägen die unmittelbare Image-Bildung. Wer sich als Persönlichkeit profilieren und zu einer unverwechselbaren Marke entwickeln will – also Self Branding betreibt –, tut gut daran, auch auf seine Wirkung zu achten. vernetzt! hat Profis gefragt, worauf es dabei ankommt.
Lassen Sie uns dort anfangen, wo jeder erste Eindruck entsteht: außen. Klar, wir sind uns einig, dass Kleidung, Attraktivität und Äußerliches beileibe nicht das Wichtigste im Leben sind. Trotzdem aber gilt: Es gibt keine zweite Chance für einen guten ersten Eindruck. Und der ist nun mal zu einem großen Teil abhängig von besagter Kleidung, Attraktivität und Äußerlichem. „Kleidung ist ein Teil der Werkzeuge, die ein äußeres Erscheinungsbild – ein Image – gestalten können. Wann immer ich auftrete, vermittle ich eine Botschaft, und es entsteht bei meinem Gegenüber ein Bild von mir“, sagt die Münchner Stilberaterin Cornelia Gumm, die seit über zehn Jahren Führungskräfte rund um deren Äußeres berät. Ihr Ziel ist es, dass die Erscheinung eines Menschen ihn mit den richtigen Auftraggebern, Geschäftspartnern oder auch Freunden zusammenbringt. Welche Gesprächspartner zieht jemand zum Beispiel in den Pausen auf Kongressen an? Wer spricht ihn an? „Viele machen sich nicht bewusst, was sie ausstrahlen. Hier ein Bewusstsein zu entwickeln und die Werkzeuge zu kennen, mit denen man gestalten kann, ist sehr spannend“, sagt Cornelia Gumm.
Stilberaterin in München
Bei diesen Gestaltungsmöglichkeiten geht es nicht nur um Selbstverständlichkeiten wie etwa einen guten Haarschnitt, eine gepflegte Erscheinung oder einen perfekt sitzenden Anzug: Es geht auch um Form, Farben und Accessoires wie Schuhe, Gürtel, Aktentasche. Wer beispielsweise einen zu weiten Anzug oder ein zu weites Kostüm trägt, ist für sein Gegenüber nicht greifbar; ein Pullover mit einem traditionellen Schnitt in einer traditionellen Farbe vermittelt traditionelle Werte, ein moderner Pulli mit moderner Farbe eher Trendsetting. Wer als dominante Persönlichkeit eine dominante Farbe trägt, kann sein Gegenüber möglicherweise „erdrücken“; trägt hingegen eine sehr schüchterne Person dieselbe Farbe, nimmt das Gegenüber unterbewusst wahr, dass etwas nicht richtig ist, dass die Person nicht authentisch ist. „Wenn ein Gespräch gut ist, aber irgendetwas an der Optik nicht stimmt, dann kann sich der Gesprächspartner nicht mehr auf die Details konzentrieren“, ist Cornelia Gumm überzeugt. Ihr Credo: „Wenn Innen und Außen stimmig sind, wenn unser Gegenüber uns sofort richtig einschätzen kann, wenn wir die Menschen anziehen, die wir uns in unserem Umfeld wünschen, dann fühlen wir uns sicher und authentisch, dann sind wir attraktiv.“
Wie Kleidung, Körpersprache, Verhalten und Manieren das Image eines Menschen prägen
Oft lasse sich mit Kleinigkeiten eine große Wirkung erzielen, man müsse sich derer nur bewusst sein.
Kleine Gesten, große Wirkung – dieses Prinzip gilt auch im Metier des Körpersprache-Meisters Samy Molcho. Der gefeierte Pantomime und erfolgreiche Autor lebt heute als Professor in Wien und gibt nach wie vor auch in Deutschland vor vollen Sälen seine Seminare zur Wirkung der Körpersprache. Körpersprache? Auch eher etwas Äußerliches, könnte man glauben. Samy Molcho widerspricht: „Der Geist ist nicht frei, wie man gerne glaubt. Der Geist bedingt den Körper, und der Körper beeinflusst den Geist. Jede Bewegung in unserem Leben beeinflusst uns selbst, sie tut etwas mit uns.“
Körpersprache-Meister in Wien
Und: Sie wirkt auf den anderen. Der Ursprung jeder Bewegung seien Gefühle, was sich schon in dem Wort „Emotion“ ablesen lasse, denn darin steckt „motion“, also Bewegung. Bei vielen Menschen herrscht eine Diskrepanz zwischen dem, was sie sagen, und dem, wie sie sich bewegen – damit blockieren sie sich selbst. „Eine geänderte Körpersprache kann das ganze Leben beeinflussen“, ist Samy Molcho überzeugt.
Die Körpersprache ändern? Wirkt dann nicht jede Gebärde eingeübt? Ist ein Mensch mit gelernter Körpersprache noch er selbst? Ist er authentisch? Die Antwort von Samy Molcho erfolgt mit Nachdruck: „Selbstverständlich! Alles, was wir machen, haben wir gelernt. Wir sind geprägt durch Nachahmen, Erfahren und Erleben – das ist ein ständiger Prozess. Was heißt also authentisch?“ Zudem sei Körpersprache keine Gymnastik: Wenn jemand beispielsweise die Arme nicht aufmacht, dann hindert ihn etwas, dann hat er Angst, seine weichen Teile offenzulegen. Wer sich das bewusst macht, ändert nicht nur seine Körpersprache, sondern auch seine Einstellung und damit seine Wirkung auf das Gegenüber. Ein anderes Beispiel: Wer den Kopf gerade hält, der konfrontiert, wer den Kopf neigt, wirkt weich – Letzteres kann bei einem Flirt von Vorteil sein, bei einer Verhandlung eher nicht. Oder: Wer jemanden über seine Lesebrille hinweg anschaut, reduziert ihn; wäre das Gegenüber für den Brillenträger interessant, würde er die Brille absetzen. „Viele Bewegungen sind nicht so dramatisch, entfalten aber eine enorme Wirkung“, sagt Samy Molcho, weswegen er an die Menschen appelliert, sich bewusst zu machen, wie ihre Bewegungen wirken. Denn: Wer sich bewusst ausdrückt, kann andere leichter überzeugen, motivieren und für sich einnehmen.
Jemanden für sich einzunehmen – das ist, mal abgesehen vom Werben um die große Liebe, wohl niemals so lebensentscheidend wie in einem Bewerbungsgespräch. Oft sind es gerade mal ein, vielleicht zwei Stunden, die über die Karriere entscheiden und darüber, wer Millionenbudgets in die Hand bekommen, Verantwortung für Hunderte Mitarbeiter tragen und die Geschicke eines Unternehmens mitbestimmen wird. Und da ist eines fehl am Platze: Unsicherheit. „Es gibt gefühlte, gesehene und gehörte Unsicherheit“, sagt Personalexpertin Iris Gordelik, die grundsätzlich dabei ist, wenn sich einer ihrer Kandidaten bei einem Unternehmen vorstellt. Wer unsicher ist, verringert seine Chancen immens, denn: „Man erwartet von einer Führungskraft, dass sie sicher präsentiert.“ Und man erwartet in den höheren Management-Etagen, dass die Bewerber das „Vokabular“ beherrschen. Dazu zählen ihrer Erfahrung nach auch Äußerlichkeiten: Schuhe mit Ledersohlen etwa, eventuell Manschettenknöpfe und die Qualität des Anzugs, der Krawatte oder des Kostüms. Wer als Frau mit zu tiefem Ausschnitt oder zu hohen Absätzen oder als Mann ungepflegt und mit schlecht sitzendem Anzug erscheint, kann gleich einpacken.
Zwei grobe Fehler im Gesprächsverhalten erlebt Iris Gordelik immer wieder. Fehler Nummer eins: Die Bewerbungskandidaten werden im Gespräch zu flapsig und kumpelhaft. Fehler Nummer zwei: Der Kandidat oder die Kandidatin nimmt eine zu unterwürfige Haltung ein. Das erlebt die Gordelik-Crew vor allem in letzter Zeit – die Wirtschaftskrise lässt grüßen –, in der immer mehr wegrationalisierte Topmanager nach einer neuen Position suchen. Die Kandidaten warten ab, was der andere fragt. Sie nehmen eine devote Haltung ein, statt sich des eigenen Wertes gewiss zu sein. Sie haben sich nicht vorbereitet, was ihre eigenen Ziele betrifft, was sie beispielsweise von dem Unternehmen erwarten und was sie wissen müssen, damit sie sich für dieses Unternehmen entscheiden können. Nur wenn es ums Geld geht, sind sie klar. „Diese Haltung ist sofort spürbar“, sagt Iris Gordelik. Auf die Frage, was einen Menschen zur Marke macht, antwortet die Karriereexpertin: „Ganz sicher die Authentizität. Dahinter verbirgt sich nichts anderes, als dass jemand mit sich im Reinen ist, dass er keine Rolle angenommen hat. Ich glaube, man spürt, ob ein Mensch Ball ist oder derjenige, der den Ball spielt. Der Ball wird herumgeschlagen, der Spieler entscheidet bewusst, in welche Ecke er zielt. Um eine Marke zu werden, darf man nicht der Ball sein.“
Und welche Rolle spielen Manieren für die Wirkung einer Persönlichkeit? Prinz Asfa- Wossen Asserate, Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers, war Journalist, Pressechef der Düsseldorfer Messegesellschaft und arbeitet heute als Unternehmensberater in Frankfurt. Für sein Buch „Manieren“ erhielt er 2004 den Adelbert-von-Chamisso-Preis. „Wenn Sie mir diese Frage vor drei Jahren gestellt hätten, hätte ich geantwortet: überhaupt keine Rolle. Aber nach der Finanzkrise, in der wir gesehen haben, was auch in Deutschland schiefgegangen ist, wie viel Vertrauen verloren gegangen ist und dass auch die hochgestellten Persönlichkeiten der deutschen Wirtschaft versagt haben, haben die Menschen wieder angefangen, von Geschäftsmoral und Ethik zu reden. Manieren spielen wieder eine Rolle. Vor allem wenn man unter Manieren nicht nur die Benimmregeln versteht, sondern auch eine innere Haltung und Herzensbildung. Beides ist heute wieder gefragt, und das ist gut so.“
Und das gelte nicht nur in den Wolkenkratzern Frankfurts, sondern auch in der Straßenbahn. „Denn der zivilisierte Umgang miteinander ist in den letzten Jahren so heruntergekommen, dass die Menschen geradezu eine Sehnsucht danach haben“, so Dr. Asfa-Wossen Asserate. Für den Unternehmensberater ist eine der größten Tugenden eines Menschen die Demut, verstanden als Mut zum Dienen und als Verzicht darauf, sich selbst penetrant in den Vordergrund zu stellen. Asfa-Wossen Asserate erzählt in diesem Zusammenhang die schöne Geschichte von der Heimkehr der siegreichen römischen Feldherren: Kamen die in die Kapitale des römischen Reiches zurück, schmückte man sie mit einem Lorbeerkranz und ließ sie in einem goldenen Wagen durch die mit jubelnden Menschen gesäumten Straßen Roms fahren. Auf dem Wagen immer mit dabei: ein Mensch, der hinter dem Feldherren stand und ihm angesichts all des Ruhms und der Ehre ständig ins Ohr murmelte: „Bedenke, du bist nur ein Sterblicher.“ Dieser kleine Mann im Ohr, sagt Dr. Asfa-Wossen Asserate, der fehlt in unseren Management-Etagen bisweilen.
Kurzum: Ein gesundes Maß an Selbstreflexion schadet nie. Und was ist mit denjenigen, die ganz und gar nicht an Selbstüberschätzung, sondern eher an Selbstzweifeln leiden? Kann überhaupt jeder eine Marke sein und kraft seiner Persönlichkeit andere anziehen?
Stilberaterin Cornelia Gumm ist eben davon fest überzeugt: „Jeder bringt etwas mit. Jeder kann an seinem Stil drehen und damit seine Aussage verändern. Jeder kann Dinge an sich optimieren. Jeder vermittelt eine Botschaft. Die Entscheidung, wie ein Mensch sich gestaltet, kann er jeden Tag neu treffen – und von heute auf morgen ein anderer Typ sein.
Text: Vera Hermes
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