Was für die Elite von morgen zählt

2020-11-27T17:49:25+01:0019. September 2013|Tags: , , , , |

Überall ist die Rede von den High Potentials, den Überfliegern, den Managern von morgen: Studium an renommierten Universitäten, diverse Praktika im In- und Ausland, mehrsprachig, sozial engagiert und natürlich mit intaktem Sozialleben. Alle Unternehmen wollen sie einstellen; die kleinen wie die großen. Diese junge Generation von Top-Performern, die gut ausgebildet wird und mit dem Internet aufgewachsen ist. Sie ist sich ihres demografischen Vorteils bewusst und weiß ganz genau, was sie will.

Doch was wollen diese Studenten überhaupt? Sex, Drugs and Rock´n´Roll? Dank e- fellows, absolventa und Co. wissen wir längst, was der gemeine High Potential von seinem zukünftigen Arbeitgeber verlangt: flexible Arbeitszeit, Work-Life-Balance, spannende Tätigkeiten und so weiter und so fort.

Jedes Jahr gibt es neue High-Potential-Studien, erneute Absolventenbefragungen und frische Recruiting-Trends. Schaut man sich diese Untersuchungen jedoch genauer an, fällt auf: Die empirischen Unzulänglichkeiten der Studien führen zu Fehleinschätzungen der tatsächlichen Entscheidungskriterien der zukünftigen Arbeitnehmer. Sämtliche Studien nutzen Likert-Skalen oder Rankings beziehungsweise Ratings, um herauszufinden, was die Teilnehmer von ihren zukünftigen Arbeitgebern erwarten. Das mag methodisch einfach sein, stellt aber keineswegs die tatsächliche Entscheidungssituation bei der Arbeitgeberwahl dar. Nur weil einem die Pferdestärken am wichtigsten beim Autokauf sind, kauft man noch lange nicht den teuersten Ferrari.

Die Entscheidung, für ein bestimmtes Unternehmen zu arbeiten – oder besser zunächst einmal, sich bei diesem zu bewerben –, ist noch komplexer als der Kauf eines neuen Straßenkreuzers. Da spielt das Geflecht aus Image, Gehalt, Aufgaben, Unternehmensklima und Hierarchie ebenso eine Rolle wie der Anfahrtsweg und die persönliche Situation der Bewerber. Herzogenauracher und Zuffenhausener können davon ein Lied singen.

Möchte man ernsthaft verstehen, wie Entscheidungen getroffen werden, müssen entweder Conjoint-Analysen durchgeführt oder zumindest qualitative Tiefeninterviews geführt werden. Auch Siegel nach dem Motto „Top-Job“ oder „Top-Arbeitgeber“ wecken bei intellektuell Begabteren keinerlei Bedürfnisse, in dieser Firma zu arbeiten. Mangels Transparenz und dank des inflationären Gebrauches sind sie inzwischen so verlässlich wie Biosiegel.

Aber was will die Elite denn dann?

Die Antwort auf diese Frage kann jeder Praktikant geben, wenn er aufgefordert wird, ehrlich zu antworten. Man könnte sich auch selbst fragen, was man als junge aufstrebende Führungskraft alles wollte, sich aber nicht zu fordern traute – oder ist man kein Teil der heutigen Elite? Wir wollen, dass uns Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, oder dass wir zumindest dabei unterstützt werden, uns weiterzuentwickeln. Wir wollen Verantwortung, Feedback, Anerkennung, Lob und Kritik. Wir wollen sehen, welchen Anteil unsere Arbeit am Unternehmenserfolg hat. Und natürlich wollen wir auch Geld, aber weniger als Statussymbol, sondern vielmehr weil es uns einen individuellen Lebensstandard ermöglicht. Vor allem aber wollen wir keine sinnentleerten Tätigkeiten verrichten. Wir wollen nicht in einem Unternehmen arbeiten, in dem wir auf der Stelle treten und sich Work-Life- Balance am Ende als faustischer Pakt enttarnt, in dem monotone, zweckfreie Arbeitszeit vergolten wird mit mehr Zeit für Fußball, Fernsehen und Familie.

Aber auch wenn die Elite so viel einfordert, Unternehmen haben gleichermaßen das Recht und die Pflicht, Ansprüche zu erheben. Wer nach einer schnellen Karriere, früher Beförderung und fürstlichen Gehältern schreit, dem darf gesagt werden: ohne Fleiß kein Preis! Das heißt nicht, dass man für jede Arbeit 24/7 erreichbar sein muss oder jeden Tag im Büro zu sitzen hat. Es gibt Alternativen zu klassischen Arbeitsplätzen und Arbeitszeitregelungen, die für die heutigen Studenten und Auszubildenden attraktiver sind. Wie immer gilt: Die unternehmerischen Vorbilder gibt es überall – man muss nur die Augen offenhalten.

Und nochmal zur Erinnerung: Wir sind bereit, Blut und Wasser für unsere Firma zu schwitzen. Jedoch nur, wenn die Dopaminausschüttung beim Arbeiten dies ausgleicht und die Belastung nicht zum Dauerzustand wird. Die Elite ist sich dessen bewusst, dass sie gebraucht wird. Und mit diesem Pfund werden wir wuchern!

Zwei weitere Punkt sind es noch, die der Rekrutierung elitärer Arbeitnehmer zuträglich sein werden: Bekanntheit und Flexibilität. Wer die Elite beschäftigen will, muss ihr bekannt sein. Sich von Xing, Kununu und anderen Jobbörsen und Netzwerken fernzuhalten und es als neumodischen Hokuspokus zu verdammen ist gefährlich! Kann eine Firma nicht flexibel auf spontane Lebensplanänderungen reagieren und weder einen möglichen, nachfolgenden Karriereknick noch Bindungsverlust verhindern, verliert sie rasch mühsam geworbene Talente.

Zum Schluss ein Rat für die Altphilologen: Kümmern Sie sich ordentlich um Ihre Bewerber. Richten Sie deren Fähigkeiten und das Jobprofil aneinander aus. Ermöglichen Sie Weiterentwicklungen unter der Beachtung der individuellen Bedürfnisse, Begabungen und Befindlichkeiten Ihrer Angestellten. Fragen Sie nach und hören Sie zu. Denn ein Unternehmen, das seine Mitarbeiter und deren Aufgaben richtig auswählt und zusammenbringt, liest seine eigene Elite im eigentlichen Wortsinne aus.

von Manfred Thurm

Manfred Thurm ist Master-Student der technologie- und managementorientierten BWL mit Vertiefung in Marketing, Strategie und Chemie an der TU München. Er hat an der Bayerischen Elite Akademie ein fächerübergreifendes Zusatzstudium absolviert, studierte zudem ein Semester in Grenoble und ist zweiter Chefredakteur des Fachmagazins „Mehrwert“ der studentischen Marketinginitiative MTP – Marketing zwischen Theorie und Praxis. Seine Bachelor Thesis schrieb Thurm zum Thema „Having Fun at Work“. Er ist der Überzeugung, dass nur derjenige nach Work-Life-Balance verlangt, der abseits von geregelten Arbeitszeiten nur wenig sinnstiftende Arbeit aufgebürdet bekommt und dieses Manko mit Freizeitaktivitäten wettmachen muss. Manfred.thurm@mtp.org

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